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Wirtschafts- und Verkehrskarte.
Eine weitere Art Verkehrs karten befaßt sich damit, die Ortschaften nach ihrer
Bedeutung für Handel und Verkehr zu gliedern und zu kennzeichnen. Wenn man
mit einem Bing einen Seeschiffahrthafen von 10000 bis 100000 Reg.-t netto Schiffs
bewegung bezeichnet und mit jedem weitern Bing, den man um den ersten legt,
je 100000 Reg.-t des ein- und ausgehenden Schiffsverkehr ausdrückt, ist das ein
Verfahren, das manches für sich hat, wie wir das auf einer Karte sehen, mit der
P. Langhans seine Untersuchungen über die wirtschaftliche Beziehung der deutschen
Küsten zum Meere illustriert hat. 1 Für die Größe und Bedeutung eines Hafens ist
seine allgemeine geographische Lage ausschlaggebend, aber nicht immer allein, wenn
das Hinterland nicht geeignet ist, diese Lage zu unterstützen und zu verbessern.
Wie weit diese Wirkungen und Wechselbeziehungen reichen ist schon öfters Gegen
stand der Erörterung und Beschreibung, weniger der kartographischen Fixierung
geworden; und doch ist es gerade diese, die so ungemein wichtig ist, die Bedeutung
der Häfen zu ermessen, wofür A. Bühls Untersuchungen über das Hinterland
der an der deutschen Ein- und Ausfuhr beteiligten Häfen ein beredtes Zeugnis
geben. * 1 2
Die Weglänge oder die Entfernung zwischen zwei oder mehrern Orten bleibt
immer — und mag sie durch irgendein Verkehrsmittel noch so schnell überwunden
werden — das terrestrisch Gegebene. Den frühem Verkehrskarten, den Postkarten,
war die Entfernungsangabe etwas Selbstverständliches. Selbst das weitverbreitete
englische Kursbuch von Bradshaw brachte in den ersten Auflagen die Entfernungs
zahlen an (len Eisenbahnlinien der beigegebenen Karten. 3 Mit dem sich rasch
verdichtenden Eisenbahnnetz tvuchs die Rücksicht auf den Baum mehr und mehr
und die Entfernungsangaben schwinden auf den Eisenbahnkarten. E. v. Sydow
rügte das Fehlen der Entfernungsangaben bei den Straßen auf der Finanz- und
Handelskarte des Österreichischen Kaisertums von J. Gabriely und A. Dolezal
(Wien 1858). 4 Heute denkt kein Kartenkritiker mehr daran, derartige Unter
lassungssünden als einen Kartenfehler zu empfinden, geschweige denn öffentlich zu
brandmarken.
Die Eisenbahnkarte verarmte inhaltlich; wohl kam das einigermaßen der Ver
anschaulichung des Fortschritts der Verkehrsentwicklung zugute. Lassen sich die
Entfernungen auch mit Hilfe der Kursbücher ermitteln, müßte man trotzdem die
Angaben hieiüber wieder herbeiführen, etwa in dieser Weise, daß hinter der Nummer
der Strecke, die auf die betreffende Nummer oder Seite des Kursbuches verweist,
eine Zahl in Klammer angefügt würde, die die Entfernung in Kilometer für die be
durch rote Punkte, die über den Fluß gelegt sind, bezeichnet. So wird der Bodensee von Dampf
schiffen befahlen, der Rhein südlich von Germersheini, von Berlin aus die Spree, sodann Havel und
Unterelbe. Bei Dresden gibt es noch keinen Danipfschiffverkehr. Auch auf dem Meere sind rot
punktierte Dampferrouten angegeben, sodann auf dem ganzen Po, bis über Cremona hinaus. Letztere
Angabe ist stark zu bezweifeln. [Bi. d. Ges. f. Erdk. Berlin.]
1 P. Langhans i. P. M. 1900, T. 10.
2 A. Rühl: Die Nord- u. Ostseehäfen im deutschen Außenhandel. Untersuchungen üb. d.
Hinterland der an der deutsch. Ein- u. Ausfuhr beteiligten Häfen. Veröff. d. Inst. f. Meeresk., N. F.,
B. Hist.-volksw. Reihe, H. 3, Ausg. 1920. Mit 15 Karten. Berlin 1920.
3 Bradshaw’s New railway map of Gt. Britain and Ireland. Shewing the stations, distance etc.
with enlarged plans of the principal towns 1853. [Br. M. London.]
* E. v. Sydow i. P. M. 1859, S. 233.