Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Wirtschafts- und Verkehrskarte. 
auf seiten der Praxis 1 wie auf seiten der Gelehrtenwelt. Insonderheit hat F. G. Hahn 
der Kaite im Vergleich mit Ritterschen Ideen erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. 1 2 
C. Ritter hat in seiner gedankenreichen Abhandlung über das historische Element 
in der geographischen Wissenschaft gewisse Andeutungen über eine Zeitzonenkarte 
gegeben. 3 Wohl kann man aus Ritters Darlegungen eine Art von Beschreibung einer 
Isochronenkarte herauslesen, doch zu der deutlichen Vorstellung einer solchen Karte 
ist er nicht durchgedrungen. Dazu fehlten ihm Namen und Bild. Auch kein Versuch ist 
von ihm vorbereitet oder durch ihn angeregt worden. Infolgedessen muß man bei der 
Betrachtung von Isochronenkarten irgendwelchen Einfluß von Carl Ritter eliminieren. 
Galton tritt mit der fertigen Karte sofort auf den Plan. Die Präliminarien zu 
dieser Tatsache scheinen in dem Entwicklungsgang der Isochronenkarte zu fehlen. 
Aber keine geographische Erscheinung ohne Ursache, wie schon von Ritter und andern 
gesagt, von A. Hettner neuerdings aber besonders wieder markant hervorgehoben 
wurde. 4 Die Wurzeln zu der Galton sehen Karte sind schwerlich auf historisch-karto 
graphischem Gebiet auszugraben, sondern mehr in Bereich der Wirtschafts- umd 
Handelspolitik. Großbritannien, das nach jahrhundertlangen Kämpfen mit Spanien, 
Holland und Frankreich sich am Anfang des 19. Jahrhunderts die uneingeschränkte 
Hegemonie zur See errungen hatte, trat zugleich mit den entferntesten wirtschaftlich 
wertvollen Punkten unseres Erdballs mehr und mehr in regelmäßigen Verkehr. — 
Die Zeiten, in denen die einzelnen Verkehrsgebiete erreicht werden, haben von jeher 
eine große Rolle in der Volks- und Weltwirtschaft gespielt. Sie wurden für den Welt 
verkehr zuerst in London ständig notiert. Hier mußte aus der Praxis heraus die 
Frage erwachsen: In welchen gleichen Zeitabständen sind diese und jene Land- und 
Seegebiete zu erreichen? Und so hat Galton den Anschauungen, die in der Praxis 
gang und gäbe waren, nur den kartographischen Ausdruck verliehen. Daß in London 
zuerst eine Isochronenkarte konstruiert werden mußte, entspricht ganz der Logik 
von Tatsachen, die wir eben mit der Bezeichnung ,.historisches Element in der Geo 
graphie“ zu kennzeichnen pflegen. 
Galtons Beispiel fand zunächst wenig Nacheiferung. In England selbst be 
gegnet uns erst wieder eine Isochrome distance map of the world in dem Atlas of 
commercial geography von J. G. Bartholomew, zu dem H. R. Mill die einführenden 
Worte geschrieben hat (Cambridge, London 1889). Verbessert wiederholt Bartholomew 
die Karte als Isochrome distance chart für 1906 im Atlas of the worlds commerce, 
London 1907. Dort war die Mollweidesche Projektion zugrunde gelegt, hier die Mer- 
catorprojektion. In Deutschland interessierte man sich — wie schon oben angedeutet — 
am meisten für die Isochronenkarte, und durch Deutsche hat sie bisher auch die meiste 
Förderung erfahren. In der Galton sehen Zeit lag für Deutschland noch wenig Ver 
1 Die Galtonsche Reisekarte im Archiv f. Post u. Telegraphie 1882, S. 440—443. 
2 F. G. Hahn: Über Galtons Isochronic passage charts und eine Idee C. Ritters. Ausland 
1882. — Bemerkungen über einige Aufgaben der Verkehrsgeographie und Staatenkunde. Z. f. wiss. 
Geogr. 1885. — Küsteneinteilung und Küstenentwicklung im verkehrsgeographischen Sinne. Verh. 
d. VI. Deutsch. Geographentages in Dresden 1886. 
3 C. Ritter: Über das historische Element in der geographischen Wissenschaft. Vorgetragen 
i. d. Akad. d. Wiss. am 10. Januar 1833. Abgedruckt außer in Ritters Einleitung zur allgemeinen 
vergleichenden Geographie und Abhandlungen 1852, S. 152—181, auch in den von 0. Krümmel 
herausgegebenen Klassikern der Geographie, erste Reihe, Kiel 1904, S. 107—134. 
4 In der „Geographie des Menschen“. G. Z. 1907. — Dasselbe von A. Hettner in abgekürzter 
Form auf dem XVI. Deutschen Geographentag in Nürnberg 1907 vorgetragen.
	        
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