Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Ästhetik und Logik der Karte. 
zügellosen Flug und gibt dem Kartenbilde trotz aller Subjektivität und Impulse immer 
wieder ein äußerlich objektives Gepräge, wodurch es sich von dem reinen Kunst 
erzeugnis unterscheidet. Der Künstler arbeitet mehr subjektiv, der Kartograph mehr 
objektiv, jener mehr großzügig, dieser mehr einheitlich und gleichmäßig. Die General 
karte und jede abstrakte Karte kann und soll nur ein wissenschaftlich geklärtes Kunst 
erzeugnis sein. Immer wieder ist hierbei zu erinnern, daß die wissenschaftlichen 
Faktoren niemals allein die tätigen Kräfte kartographischer Gestaltung bilden können, 
und daß viele, einander durchkreuzende Kräfte, mannigfaltige Gruppen von Kräfte 
parallelogrammen Zusammenwirken müssen, aus denen als Resultante die wissen 
schaftlich und ästhetisch befriedigende Karte hervorgeht. 
Die Subjektivität der Karten spricht sich am meisten in der Generalisierung 
des Geländes aus. Gesetzt den Fall, es gäbe einen Kartographen von demselben 
Können und derselben Bildung eines C. Vogels und er sollte eine ähnliche Karte wie 
die des Deutschen Reiches in 1 : 500000, ohne die Vogelsche je gesehen zu haben, 
schaffen, würde er ein äußerlich zwar ähnliches Bild, soweit die mathematisch 
fixierten Punkte das Bild beherrschen, geben, aber innerlich, besonders in der Gene 
ralisierung des Terrains und der davon abhängigen Schraffengebung würde es sich 
kaum in einem Hauptzug vollständig decken, geschweige denn in dem feinem Geäste 
der Geländezeichnung. Bei einer topographischen Karte im Maßstab 1 : 25000 ist das 
viel leichter möglich 1 , aber sie reicht nur mit wenigen Fühlern in das Gebiet karto 
graphisch künstlerischen Schaffens hinein. 
In dem Unterschied der verschieden wissenschaftlich objektiv und individuell 
subjektiv abgestimmten Generalisierung liegt der Angelpunkt, wo das Künstlerische 
der Karte einsetzt, und natürliches Empfinden müssen bei der Generalisierung der 
Karte gleichmäßig Zusammenwirken. Hierin liegt aber auch das ungemein Schwierige 
einer guten Karten Produktion; und es ist derselbe Gesichtspunkt, den ja schon als 
den schwierigsten H. Wagner nicht bloß in seinem Lehrbuch der Geographie sondern 
auch an andern Stellen betont hat. 
Nicht jeder, der eine gute Spezialkarte zeichnet, kann eine gute Generalkarte 
ausführen. 1 2 Es lassen sich keine zwingende, für alle Zeiten allgemeingültige Gesetze 
für die bildliche Darstellung des verkleinerten Kartenbildes geben. Von Fall zu Fall 
wird zu entscheiden sein. Hier ist die von der Natur gegebene Tatsache, wo der Zweck 
das Mittel heiligt. 
Der Gefühlskartograph, wie man hin und wieder den künstlerisch schaffenden 
Kartographen genannt hat, kann mit seinem „auch" io sono pittore“ so Großes 
schaffen, was der nur technisch geschulte ohne Kunstsinn nimmermehr zu leisten 
vermag. 3 Das ist gut. Was für langweilige Machwerke würden zuletzt geschaffen, 
wenn jede Landkarte nach ein und derselben gesetzmäßig festgelegten Schablone 
geschaffen werden sollte. Noch immer hat das Schöpferische, das im eminenten Sinne 
1 Unter anderm ist der Vergleich der schönen Karte von Leipzig und Umgebung in 1 : 25000 
von Giesecke & Devrient mit den entsprechenden Meßtischblättern in 1 : 25000 zu empfehlen. 
2 Vgl. C. Vogel i. P. M. 1867, S. 341. 
3 Wenn K. Peucker sagt, daß das Schaffen des Gefühlskartographen nur ein Beweis von 
dem selbstbewußten Spürsinn künstlerischer Individualität sei, möchte ich diese Ansicht als eine 
Wahrnehmung dafür ansehen, daß selbst Peucker um das Künstlerische in der Kartographie nicht 
gut herumkann und es in gewissem Sinne auch gelten läßt. Vgl. K. Peucker: Zur kartographischen 
Darstellung der dritten Dimension. G. Z. 1901, S. 32.
	        
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