Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Ästhetik und Logik der Karte. 
Aber nicht bloß der Horror vacui, auch die Darstellungsfreudigkeit an 
lebenswarmen und -wahren Gebilden führte zur Ausschmückung der alten Karten 
bilder. Dadurch wurden sie erst schmackhaft. Oft sind sie die Zeugnisse einer kräftigen 
Realistik, die aus einer lebendigen Naturauffassung emporgeblüht war. Welche 
Freude am Leben des Menschen in der Natur spricht aus den reizenden kleinen Genre 
szenen auf der Madabarkarte, der ältesten Karte des heiligen Landes. Palmen, die 
zu lieblichen Hainen gruppiert sind, Schiffe, die auf dem Toten Meere dahinfahren, 
Brücken, die von einem Ufer zum andern den Verkehr vermitteln, Fische, die sich 
munter und lustig in den Flüssen tummeln, Gazellen, die vor dem Löwen dahinfliehen, 
ergötzen den Beschauer. 
Die eigentliche Blüte der die Karte ausschmückenden Bilder, der Parerga, 
die vielfach das Beste an der ganzen ältern Karte sind 1 , war erst in der Zeit von 
G. Mercator bis J. C. Lotter. Ein Meister der Ausschmückung mit Parerga und 
der Illumination war der Niederländer Justus Danckert. Die Schmuckbildchen 
zeigten teils sagenhafte und phantastische Meeres- und Landungeheuer 1 2 teils natürliche 
Stadt- 3 , Landschafts- und Volkstypenansichten. Auch die Bilder der römischen 
Kaiser 4 , von Wappen und Münzen 5 waren der kartographischen Ornamentik nicht 
fremd. Die Ecken der Karte werden gern mit den Klimaten Strabos ausgefüllt. 6 Auf 
Guil. Jansonius Erdkarte Nova totius terrarum orbis geographica ac hydrographica 
tabula 7 sind am obern Rande die Bilder der sieben Hauptgestirne angebracht, am 
linken Kartenrand die vier Elemente, am rechten die vier Jahreszeiten, am untern 
Kartenrand die sieben Weltwunder und in den untern Ecken noch zwei Polarkärtchen. 
Größere und kleinere Legenden mit und ohne Rahmen finden sich über das Karten 
bild zerstreut. 8 
Die das eigentliche Kartenbild umrahmenden Bildchen sind ohne Zweifel ein 
überflüssiger Teil an der Karte. Immerhin sind sie für das gesamte Kartenbild meistens 
1 So im Atlas major von Blaeu. Vgl. Herrn Zacharias Conr. v. Uffenbach: Merkwürdig 
keiten usw., III, 600 - 604. — Selbst auf neuern Karten treten die Parerga wieder auf. So sind auf 
Chas. Lubrecht’s Pictorial County-, Railroad-, and Distance-Map of thc United States and part 
of the Donänion of Canada (New York, Stuttgart 1883[?]) die am Rande befindlichen Bilder San 
Francisco und New Orleans aus der Vogelschau und von einem Wasserfall im Yosemitetal das Male 
rische und zugleich Beste an der Karte. 
2 z. B. auf der Weltkarte des Kölner Kartographen Caspar Vopell. 
3 Auf der im ersten Bande der Kartenwissenschaft besprochenen Karte von Comenius 
befinden sich auf dem obern Kartenrand die Stadtansichten von Polna, Olmuts (Olmütz), Brin 
(Brünn) und Znaim. 
4 Die römischen Kaiser befinden sich z. B. auf J. C. Vischers Erdkarte (Verleger Petrus 
Schenk junior) aus der ersten Hälfte des 18. Jahrh. Die Karte ist zudem mit Städtebildern geschmückt. 
[K. Bi. Dresden.] 
5 C’hr. Weigel in Nürnberg schmückte seine Karten mit seltenen Münzen. — Auf Mercators 
Rugia sehen wir die Wappen der vornehmsten und ältesten Adelsfamilien. — Die Kopie der Münster- 
schen Karte von „Teutschlandt“ ist in der berühmten Schwyzer Chronik (1548) von Johannes 
Sumpf künstlerisch besser nachgestochen und besonders durch zahlreiche kolorierte Wappen der 
Staaten und Herrschaften bereichert, die über das ganze Blatt zerstreut sind. Vgl. W. Wolken 
hauer: Aus der Geschichte der Kartographie. Deutsche Geogr. Bl., XXVIT, Heft 2, S. 115. — 
Für die Wappenkunde sind die Kartendokumente noch gar nicht genügend ausgebeutet worden. 
6 So auf N. Sansons Karte zur alten Geographie der zwei Halbkugeln. Amstelodami, Anfang 
des 18. Jahrh. [K. Bi. Dresden.] 
7 Amsterdam 1606. Kupferstichkarte in Mercatorprojektion. [K. Bi. Dresden.] 
8 So auch auf der oben unter Anm. 2, genannten Vopellschen Karte.
	        
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