Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Form und Farbe. 
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physikalische Bild nutzbringend sei. Gewiß ist dies richtig, indessen wird bei dieser 
Argumentierung ein anderes pädagogisches Moment übersehen, nämlich, daß auch 
das politische Gebilde in der Geographie seine Berechtigung hat, und daß bunte 
Farben im Flächenkolorit sehr geeignet sind, eine richtige Vorstellung von der Gestalt 
und der Ausbreitung der einzelnen Staaten und Staatenglieder zu geben und eine 
schnellere und sichere Auffassung und Einprägung zu fördern. Vielleicht wird bei 
Karten, die eigentlich nur rein historisches Interesse haben, das Physikalische zu 
sehr betont, besonders wenn es mehr als das Politische zur Darstellung lockt, wie es 
bei vielen neuern Palästinawandkarten der Fall ist. 
Der Trieb nach Übersichtlichkeit durch mannigfaltige Farbennuancierung kann 
in geschmacklose Farbenklexerei ausarten, wie auf verschiedenen französischen 
Karten zur Verdeutlichung der Departements, hauptsächlich aber auf den politischen 
Übersichtskarten der Vereinigten Staaten von Amerika. Das geschmacklose und grelle 
Schachbrettflächenkolorit wurde schon bei ältern nordamerikanischen Karten gerügt 1 , 
aber auch bei den neuern ist es kaum besser geworden. 1 2 Die amerikanischen Karten 
dieser Art wurden immer als Schreckbilder hingestellt. 3 Beinahe überboten werden 
diese Karten von manchen modernen Wirtschaftskarten, wobei mit dem buntscheckigen 
Bild sich eine größtmögliche Unübersichtlichkeit paart. Daß hinwiederum bunt 
scheckige Kartenbilder zur Forderung werden können, beweisen historische Karten. 4 
Sobald das Wesen der Karten es fordert und ihre mehr oder minder reich bedachte 
Situation es gestattet, soll dem Flächenkolorit der Vorzug gegeben werden. So 
hat man es denn auch in ausgedehntem Maße auf entwicklungsgeschichtlichen Karten, 
die den Fortschritt der Erforschung in den einzelnen Erdteilen versinnbildlichen 
wollen 5 , angewendet, ferner auf ethnographischen, konfessionellen, hydrographischen 6 
1 Monk's New American Map exhibiting the larger portion of North America, embracing the 
United States and Territories, Mexico and Central America, including the West India Islands, the 
Cañadas, New Brunswick and Nova Scotia. Compiled from recent Government surveys and other 
authentic sources. 1: 3650000. Baltimore, Jacob Monk, 1857. 
2 Chas. Lubrecht’s Pictorial County-, Railroad-, and Distance-Map of the United State3 
and part of the Dominion of Cañada. New York, Stuttgart. In dem geographischen Monatsbericht 
von E. Behm in P. M. 1882, S. 232. wird die Karte als „ein Ausbund des amerikanischen Karten 
geschmacks“ bezeichnet. — Daß aber selbst derartige politische Bilder ein angenehmes und klares 
Kolorit erhalten können, dafür gibt K. Peucker ein schönes Beispiel in seinem Handelsatlas. 
3 Vgl. E. v. Sydows Beurteilung von A. Steinhausers Karte von Österreich unter der Enns, 
1: 200000, Wien 1864, in P. M. 1865, S. 461. 
4 Wenn z. B. auf einer Karte von Südwestdeutschland mit Elsaß und östliches Lothringen 
vor Ausbruch der französischen Revolution 1789 die geistlichen Gebiete, die Gebiete des Deutschen, 
Johanniter und Malteser Ordens, die Gebiete der Reichsstädte und Reichsdörfer und Reichsritter- 
schaftlichen Gebiete unterschieden werden sollen, wie auf der betreffenden Karte von Th. Menke 
in Spruner-Menkes Historischem Handatlas Nr. 47. Die Karte auch wiedergegeben in P. M. 1873, T. 5. 
5 Vgl. die Fortschritte der Afrikaerforschung 1788—1888 in P. M. 1880, T. 10; ferner die Karten 
bei A. Supan: Die territoriale Entwicklg. der europ. Kolonien. Gotha 1906. — W. Sie ver s: Die 
Fortschritte der Erforschung von Süd-Amerika seit von Humboldt, 1799 — 1900. P. M. 1900, T. 11. 
Weiß = unbekanntes Gebiet, gelb = erkundetes Gebiet, rot = besser bekannte Landstriche, blau == 
einer Landesaufnahme unterworfene Gebiete. Auf den ersten der zehn Karten dominiert das Weiß, 
allmählich dringen Rot und Blau durch; noch 1870—1880 ist Argentinien mit roter Farbe bedeckt, 
von 1880 ab mit blauer, die nach 1890 sich energisch ausbreitet. 
6 Eine ältere Karte dieser Art ist die Hydrographische Skizze von Österreich-Ungarn, P. M. 
1864, T. 5, worauf das ganze Donaugebiet mit einem intensiven Blau gegeben ist und sodann nur 
noch die Landgrenze durch Rot, wodurch die überwiegende Stellung der Donau in dem Wasser 
system und der Wasserwirtschaft für den österreichischen Staat sprechend hervortritt. 
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