Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Zur Ästhetik der Geländedarstellung. 
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zehnte zurückgreifen. Den Reigen dazu eröffnete die teils übermäßig gelobte teils 
auch getadelte Dufourkarte der Schweiz mit ihrer schrägen Beleuchtung in schwarzer 
Schraffenmanier. Das bunte Höhenschichtkolorit der Schweizer karten fußt haupt 
sächlich auf J. M. Zieglers Bemühen, der bereits durch sinnreiche Gliederung des 
Kolorits verstand, seine Karte in das Gewand der Landschaftsbilder von ästhetischer 
Wirkung einzukleiden. Die malerische Wirkung wird außer der schrägen Beleuchtung 
nicht unwesentlich durch helle Töne, nach der Höhe zu angewendet, hervorgerufen. 
Fast um die gleiche Zeit, um die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wurden 
die ähnlich behandelten Karten von Erhard in Paris veröffentlicht; von ihm er 
schienen Karten über Frankreich, Europa, Mexiko u. a. Länder. Sie erregten damals 
wegen ihrer künstlerischen Auffassung und Ausführung allgemeines Erstaunen. 
Einen Schritt vorwärts bedeutet die Reliefkarte der Schweiz, 1:580000, von 
R. Leuzinger, die 1884 bei Wurster in Zürich erschien. Das Hochgebirge meint man 
auf dieser Karte zu greifen; außerordentlich zart schon in der Abtönung in rötlich 
gelber Färbung für das Terrain bis zum Graublau der Eisregion und der Gletscher, 
daß kleine Täler und Spalten im Terrain recht gut schon zum Ausdruck gelangen. 
Doch das Hochland ist noch zu sehr dem Tiefland gegenüber bevorzugt, und die Be 
leuchtung und Farbengebung erhellen noch zu sehr die Randgebiete eines Massivs 
auf Kosten seiner innern Details. 
Auch die Reliefkarte der Albiskette von F. Becker 1 , die vorwaltend mit grünen 
und mit wenigen graublauen Schattentönen arbeitet, vermag die eben erwähnte 
Dissonanz noch nicht völlig zu lösen. Einen weitern Schritt zur Lösung haben die 
Gebrüder Kümmerly getan. Deutlich erkennt man es auf den von ihnen bearbeiteten 
Karten des Albula-Gebietes. 1 2 Sie brachten die Plastik des Gebirges in noch nie 
gesehener und so anmutender Weise hervor, daß C. Vogel durch sie so begeistert 
wurde, daß er sie ,,die Karten der Zukunft“ nannte. 3 Zeigen die Karten noch braune 
Kurven, werden diese von den beiden Kümmerly auf der offiziellen Karte der Schweiz 
ganz weggelassen. In ihr liegt kaum wie in einer andern Karte ein gut Stück Heimat 
kunst vor. Auf seinem eigenen Grund und Boden, der ja durch den italienischen 
Tieflandfuß, wie E. v. Sydow schon sagte, für die Erzeugung eines brillanten Bildes 
geschaffen ist 4 , hat der Schweizer die Kartenzeichnung für seine Heimatbilder auf 
eine schier unerreichbare Höhe gebracht (s. auch § 264). 
262. Die ästhetische Wirkung der Plastik im allgemeinen. Die Illusion und 
ihr didaktischer Wert. Mit der offiziellen Karte der Schweiz haben wir ein Gebiet 
unserer ästhetischen Forschungen betreten, das noch eingehender behandelt sein will, 
nämlich die Plastik. Hier und da konnten wir es nicht hindern, nicht unbemerkt 
an ihr vorüberzugehen. Kaum zu vermeiden ist bei der nun zu erörternden Materie, 
daß das Gebiet der kartographischen Logik tangiert wird. 
Im ersten Band der Kartenwissenschaft (S. 508, 504) habe ich zeichnerische 
(künstlerische) und wissenschaftliche (Böschungs- und Farbenplastik) unterschieden. 
1 Beilage zu: Die Schweizer Kartographie. Paris 1889. Lith. u. Verlag von Hofer & Burger, 
Zürich. 
2 Albula-Gebiet in 1:50000, Bern, Eidg. Topographisch. Bureau, 1893; ist die zweite Be 
arbeitung der 1889 erschienenen Buntdruckkarte. 
3 C. Vogel i. P. M. 1894, L. 340, S. 83. 
4 E. v. Sydow: Der kartograph. Standpunkt Europas i.d. Jahren 1865u. 1866. P.M. 1867, S. 146.
	        
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