Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Ästhetik und Logik der Karte. 
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Kulturvolk; und zwar einfach deshalb, weil sie alle eine verschiedene Vorstellung 
von der Natur haben, weil in ihnen eine verschiedene Ideenassoziation tätig ist. Das 
Gesetz der Ideenassoziation sagt, daß unser Schönempfinden eines Gegenstandes 
sich nach den Gedanken, die wir damit verbinden, richtet. Das ist das einzige Gesetz, 
das in der Ästhetik unbedingt auf Geltung Anspruch erheben darf. Von Fechner 
ist es entdeckt worden. Für Kinder ist schön und angebracht, was für das kind 
liche Alter paßt. Jedem Beobachter wird nicht entgehen, daß das Kind ganz all 
gemein die Natur weniger beobachtet als der Erwachsene, was sich auch darin kund 
gibt, daß es beim Bilder-Besehen durch ein primitiveres Formensystem in Illusion 
versetzt wird. Kräftige Striche und kräftige Farben, wie sie auf neuen Kunsterzeug 
nissen für Schule und Haus geübt werden und sich in modernen Bilder- und 
Märchenbüchern zur Genüge zeigen, sind das Rechte für das Kind; ihm fein detaillierte 
Arbeit vorsetzen zu wollen ist Selbstbetrug; so auch bei den Kartenwerken. 1 Gerade 
in den Kinderjahren findet sich ein großer Hunger nach Plastik. Viele der modernen 
reliefartig gemalten Karten befriedigen diesen Hunger, aber auch weiter nichts, nach 
der Qualität und Nährkraft der Nahrung wird wenig gefragt. Wohl geben sie die 
Existenz und die Lage der Objekte an, besonders die Gegenden mit auffälligem Er 
hebungen, aber auch weiter nichts; der wissenschaftliche Gehalt der Kartenelemente 
wird nur zu oft zugunsten des plastischen Effekts erdrosselt. Für die ersten Schul 
jahre, zur allgemeinen Einführung in das Kartenverständnis, möchten diese Karten 
jetzt nicht mehr gemißt werden. Aber die Pädagogen sollten sich auch darüber klar 
werden, daß auf den hohem Unterrichtsstufen sich die Karte von dieser Art Illusion 
allmählich befreien muß, und wissenschaftlich gehaltvollere Kartenbilder als die 
unwissenschaftlichen, groben Reliefkarten mi ssen dem Geographieunterricht eine 
unentbehrliche Basis werden und sein. 
263. Die ästhetische Wirkung der Schattenplastik. Bei schräg beleuchteten 
Karten kann man auch von einer Schattenplastik reden. Sie wird dadurch erzeugt, 
daß die eine Seite des Geländes, im größten Einfallwinkel der Lichtquelle gedacht, 
im vollen Licht erscheint, die andere Seite dagegen in mannigfaltigen Schattierungen 
in Schwarz oder einer andern dunkeln Farbe. Infolge der kräftigen Wirkung der 
Schraffe hat man sie auch bloß als gewöhnlichen Schattenstrich — als welcher sie 
übrigens schon vor J. G. Lehmann auftrat — aufgefaßt und sie vorzüglich für schräg 
beleuchtete Karten verwendet, wie auf der Dufourkarte, den großen deutschen Hand 
atlanten, der Deutschland-Karte von C. Vogel. Die schwarzen Schraffen sind wirk 
samer als die braunen oder grauen, die farbigen hinwiederum beeinträchtigen weniger 
die Lesbarkeit der Schrift, deren Platz innerhalb der schwarzen Schraffen ausgespart 
werden muß. Bei den braunen Schraffen läßt sich nur auf speziellem Karten oder 
Karten großem Maßstabes ein Effekt erzielen. Wegen der Wirkung und der Übersicht 
lichkeit überdeckt man die im Schatten gedachte Seite noch mit einem blauen Ton, wie 
es H. Habenicht auf den von ihm bearbeiteten Stielerkarten getan und rühmend hervor 
gehoben hatte 1 2 , wie es aber vor ihm auch schon von andern ausgeübt worden war. 3 
1 Deshalb habe ich schon seit Jahren auf eine kräftige Farbengebung bei Volksschulatlanten 
hingewirkt und ein Beispiel dafür mit meinem Neuen Methodischen Schulatlas gegeben. — Die neuen 
Wandkarten von Ed. Gabler, besonders von H. Haack, reden eine kräftige, wirkungsvolle Sprache. 
2 H. Habenicht: Die Terraindarstellung im „Neuen Stieler“. P. M. 1903, S. 32. 
3 So von mir auf den Karten der ersten Auflagen des Neuen Methodischen Schulatlas. 1. Aufl. 
Leipzig 1898.
	        
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