Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die See- und Meerkarte. 
geführt. Während jene direkt in das Abbildungsnetz eingespannt wurde, dient diese 
zunächst der Entfernungsbestimmung von Hafenorten, was schließlich auch zur 
Herstellung von Kartenbildern führte (S. 2, 7). Bei den geringen und zuweilen un 
zuverlässigen Angaben über die Größe der hierbei angewandten Streckenmaße ist 
es nicht leicht, die Vielheit der Maße und ihre Zahlenwerte auseinander zu halten. 
In älterer Zeit war es besonders J. B. Riccioli, der sich mit den vielen Maßen be 
schäftigte und ihre Größen gegeneinander abzuwägen suchte. 1 Zu einer völligen 
Klarstellung ist er nicht vorgedrungen, schon weil ihm die richtigen Erdmaße fehlten. 
Neuerdings ist es H. Wagner gelungen, das Problem, das die geschichtliche Be 
trachtung der Seemeile darbot, zu lösen. Seine Abhandlung ,,Zur Geschichte der 
Seemeile“ ist grundlegend 1 2 , und die folgenden Darlegungen beruhen in der Haupt 
sache auf den Ergebnissen der Wagnerschen Untersuchungen. 3 
Größere Streckenmaße wurden, sobald man auf dem Lande oder dem Wasser 
zu messen anfing, den Größenverhältnissen der Erdkugel entlehnt. So wurde im 
Mittelalter das auf Ptolemäus zurückgeführte Streckenmaß, nach dem der Erdgrad 
zu 500 Stadien = 62 4 / 2 Miliarien (1 Miliaria, die alte römische Meile, = die Tausend- 
Schritt-Meile) angenommen wird, für die Schiffahrt brauchbar gemacht. Die römische 
Schiffsmiglie war eine Tausend-Schritt-Meile. Man bediente sich ihrer bei der Fahrt 
in atlantischen Küstengebieten, nördlich und südlich der Straße von Gibraltar. Auch 
Kolumbus rechnete nach ihr. Wagner nennt sie die romanische Seemeile, obwohl 
der Ausdruck Miliaria italica nahe liegt, aber nicht gewählt wurde, weil die italienische 
Landmeile (60 = 1°) schon seit alters her so bezeichnet wird. 4 Diesen Wert kannten 
die alten Seefahrer nicht, obwohl sich heute noch verschiedene Historiker irrtümlicher 
weise darauf berufen, wie die aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, die das Zeitalter 
der Entdeckungen gelegentlich der 500-Jahrfeier der Entdeckung Amerikas aufzuhellen 
suchten. Die Größe der romanischen Seemeile nimmt Wagner zu 1480 m an. Fast 
gleichzeitig mit A. E. v. Nordenskiöld erkannte er, auf umfangreiche planimetrische 
Messungen gestützt, daß diese oder eine ähnliche Migliengröße für die ältern Seekarten 
des Mittelmeers zu groß sei. Deshalb wurde den Miglien in den Portulanen nur eine 
Größe von rund 1280 m gegeben und des näheren ausführlich begründet. 5 
Als der Schwerpunkt des Schiffsverkehrs vom Mittelmeer in den Atlantischen 
Ozean rückte, fing man an, wie oben angedeutet, das Streckenmaß zur See mit dem 
Erdgrad in engere Fühlung zu bringen. Eine weitere Folge war, daß dies Maß, je nach 
der Kenntnis von der Erdgestalt, verschiedenen Schwankungen unterworfen war. 
Es zeigte sich ferner die auffällige Tatsache, daß die Kosmographen und Karten 
bearbeiter der Renaissance und Folgezeit sich die Erde viel zu klein dachten und 
die Seefahrer einen wesentlich richtigem Begriff von der Größe der Erde hatten. 
1 J. B. Riccioli, a. a. O., S. 36, 477. H. Wagner ist in seiner Abhandlung über die See 
meile (s. folg. Anra.) auf Ricciolius nicht näher eingegangen. Daß diese Lücke in der Geschichte der 
Seemeile, wie überhaupt der Erdmaße, bald ausgefüllt würde, wäre wünschenswert. 
2 H. Wagner: Zur Geschichte der Seemeile. Annalen der Hydrographie u. Maritimen Metero- 
logie 1913, S. 393-413, 441-450. 
3 Gleichsam ein Exzerpt von H. Wagners Geschichte der Seemeile gibt H. Löschner i. P. M. 
1914, I, S. 276. 
4 H. Wagner vermutet, daß der Deutsche Nicolaus Germanus der Urheber dieser Meilen 
bestimmung, die bei den Kosmographen in ausgiebiger Weise angewandt wurde, ist; a. a. O., S. 399. 
5 Vgl. H. Wagner, a. a. O., S. 397, u. H. Wagner: Das Rätsel der Kompaßkarten im Lichte 
der Gesamtentwicklung der Seekarten. Verh. d. XL Deutsch. Geographentages. Bremen 1895.
	        
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