Zur Ästhetik der Geländedarstellung.
TOT
Für Karten, die in der Hauptsache auf Anschauungseffekt und schnelle Orien
tierung hinarbeiten oder deren Veröffentlichung in kürzester Zeit erfolgen muß und
die nur bei billigem Preis verkauft werden können, wird die Schraffenzeichnung
durch eine andere und leichter zu handhabende Manier ersetzt. An Stelle der Schraffen
zeichnung tritt sodann die Schummerung, Wischmanier oder Lavierung. Sie er
innert ganz an das Zeichnen nach Gipsmodellen. Man braucht sie gern bei Touristen
karten, wie z. 13. viele Bädekerkarten zeigen und bei Wandkarten; und da, wo offizielle
Karten viel von Touristen und andern benutzt werden, hat man neben der normalen
Ausgabe in Isohypsen noch eine andere der stark gebrauchten Kartenblätter heraus
gegeben, worauf die Zwischenräume zwischen den Schichtlinien mit einem Schum
merungston bei schiefer Beleuchtung überdeckt sind, wie in Baden. Ebenso besteht
der schweizerische Siegfried-Atlas aus Isohypsenkarten, denen durch Schummerung
in schräger Beleuchtung plastischer Ausdruck verliehen wird. Auch andere Karten
der Schweiz verfolgen das im Siegfried-Atlas festgelegte Prinzip. Daß all diesen
Karten ein hoher Grad der Benutzung eigen ist, bedarf keiner weitern Rede.
S. Simon bringt auf seinen Alpenkarten 1 den plastischen Effekt durch das
Rotbraun der Felsen hervor und einem grau gekörnten Schattenton. Die Karte ist
sehr klar und hat sich besonders für die Zwecke der Hochtouristen recht gut bewährt 1 2 ;
aber eine völlige harmonische Wirkung erzielt sie nicht, weil das Rotbraun sich mit
keiner Komplementärfarbe verbindet, wie K. Peucker schon treffend bemerkt hat. 3
Besser harmoniert schon das Grau der Schattenzeichnung zu dem gedämpften Braun
auf G. Freytags Übersichtskarte der Dolomiten. 4 Der kleinere Maßstab trägt nicht
unwesentlich zu diesem Erfolg bei. Der Nachfolger Simons in der Zeichnung von
Alpenkarten, L. Aegerter, hat sich von den Schummertönen Simons ganz emanzi
piert und bringt in die braune Isohypsenkarte durch die schwarze Felszeichnung mit
linksseitiger Beleuchtung Leben hinein; in der Reihe seiner Alpenkarten heben wir
nur die ausgezeichnete Karte der Brentagruppe hervor. 5 Die Dolomitenformation
kommt der Zeichnung dieser Karten besonders gut entgegen. Ein hervorragendes Muster
der Verquickung von Isohypsen und Schummerung wird stets die mehr in Heimat
kartencharakter gehaltene Karte des Seeberges bei Gotha sein, die Hubert Salzmann
gezeichnet hat und die bei J. Perthes in Gotha erschienen ist.
Ihrem wissenschaftlichen Werte nach tiefer stehend — aus natürlichen Gründen,
da gewöhnlich für das dargestellte Gebiet noch nicht genügend viele Höhenmessungen
vorliegen —, dem ästhetischen Werte nach jedoch ebenbürtig ist die Geländekurven
manier mit Schummerung, wie sie auf den Karten des großen Deutschen Kolonial-
Atlas, herausgegeben von P. Sprigade und M. Moisel, gepflegt worden ist.
Die Geländekurven bzw. Formlinien und die Isohypsen hat man, wie
ich genügend betont habe, für sich schon allein zur Erzeugung der Plastik an
gewendet. Werden auf der Schattenseite die Geländekurven, deren gegenseitige Ent
fernung ganz dem eigenen Ermessen und Gefühle anheimgegeben ist, verstärkt, kann
man der Terrainskizze eine gewisse Plastik verleihen, vorzüglich wenn die Kurven
1 S. Simon, die Karten zum ötztal u. Stubai. Bl. I: Pitztal. Hg. v. D. u. ö. A.-V. 1804.
2 Wie ich auch aus eigener Erfahrung in dem Gepatschferner- u. Weißkugelgebiet bezeugen kann.
3 K. Peucker i. Geograph. Jahresbericht üb. Österreich, II, 1895. Wien 1898, S. 130.
4 Maßstab 1: 100000. Beilage zur Zeitschrift des D. u. ö. A.-V. Bl. 2 1902. Bl. 1 1903.
5 Karte der Brentagruppe. Aufgenomir.en u. gezeichnet v. L. Aegerter. Maßstab 1 : 25000.
Hg. v. D. u. ö. A.-V. 1908.