Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

710 Ästhetik und Logik der Karte. 
beurteilen sein, die nach den Farbenkreisen W. Ostwalds plastisch und ästhetisch 
wirkend aufzubauen sind. 
205. Die plastischen Komparativ-Gesetze. Die Wirkung der Farbenplastik läßt 
sich auch mit Hilfe der verschiedenen Nuancierungen eines Farbetones oder einiger 
weniger Farbetöne erzielen. Seit nahezu einem Jahrhundert herrschen zwei An 
sichten, die sich kurz mit folgenden Schlagworten charakterisieren: Je höher, desto 
heller! und je höher, desto dunkler! Ich nenne sie die plastischen Komparativ- 
Gesetze. Beide haben sich nicht selten befehdet. Das zweite hat im allgemeinen 
den Vorzug erhalten. Schon 0. Delitsch hat sich mit den Vorzügen und Nachteilen 
beider Gesetze und in weiterer Folge beider Methoden befaßt. 1 Die wahre und be 
friedigende Interpretation der beiden Methoden scheint bis jetzt noch niemand ver 
sucht zu haben. Beide Methoden sind nichts anderes als einmal die in eine Farbe über 
setzte bzw. vorausgegriffene theoretische Farbenplastik (im Sinne von Peucker) und 
sodann die gleichfalls in Farbe übertragene Böschungsplastik (die weiter unten uns 
noch beschäftigen wird). Findet dieser Satz Berechtigung, dann haben auch beide 
Methoden ihre Berechtigung in der Terraindarstellung. 
Von Fall zu Fall kann immer noch entschieden werden, welche Methode die 
brauchbarere ist, indessen dürfte die Methode: Je höher, desto dunkler! mehr für sich 
haben, weil sie vor allem das Markante, die Erhebungen der Landschaft, besonders 
hervorhebt. Die erste Methode: Je höher, desto heller! entspricht dem Peuckerschen 
System. Weiß ist leuchtender als Schwarz, infolgedessen erscheinen die dem Be 
schauer nächstgelegenen Terrainpartien in Weiß. Schwarz ist die Farbe des Schattens, 
des Toten und Kalten, darum die Anwendung von schwarzen oder dunkeln, dem 
Schwarz naheliegenden Farben für die dem Auge entferntem Terrainstufen, also 
für die Täler, Becken und Ebenen. Das ist ein System, wie es gleichfalls aus 
der Beobachtung in der Natur erwachsen ist, wie es ja Ziegler schon erwiesen 
hat, und eine ästhetische Wirkung kann man auch den Karten dieser Art nicht 
versagen. 1 2 
Die Methode: Je höher, desto dunkler! entspricht einem wesentlich andern 
Verfahren der plastischen Terraindarstellung, zwar auch einem theoretischen, das 
sich aber durchaus auf wissenschaftliche Prinzipien stützt und in der senkrecht be 
leuchteten Schraffenkarte seinen Niederschlag erhalten hat. Mit der dunklern Färbung 
wird lediglich der stärkere Grad der Neigung ausgedrückt, und da im allgemeinen 
die Neigung des Geländes mit der großem Erhebung wächst, ist für die farbige Schicht 
karte ganz allgemein die Regel erwachsen, je höher die Schicht, desto dunkler ist sie 
zu kolorieren. Zeigen die verschiedenen Stufen nicht gar zu große Sprünge in der 
Schattierung, wird ein ganz leidlich guter plastischer Effekt erzielt. Daß zur Er 
höhung dieses Effekts noch zu Farbebeimischungen gegriffen wird, wissen wir, selbst 
zu andern Farbnuancen, um irgend etwas Auffälliges dem Auge besonders zu präsen 
1 Mitteleuropa, orographisch - hypsometrisch und hydrographisch dargestellt von Otto 
Delitsch. Leipzig 1862, S. 2. „Von der hellsten Farbe (Tiefland) zur dunkelsten (Hochgebirge), 
oder von der dunkelsten (Tiefland) zur hellsten (Hochgebirge) überzugehen, ist für die vorliegende 
Wandkarte von dem Verfasser, nach mannigfachen eigenen Versuchen, wie nach Vergleichung fremder 
Versuche, die erstere als die allein praktische gewählt worden.“ 
2 Vgl. C. v. Sonklar: Karte der Zillerthaler Alpen. 1 : 144000. P. M., Ergh. 32, 1872, T. 3.
	        
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