Wesen und Funktionen der Kavtenlogik.
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Aber schon da ließ ich durchblicken, daß der Kartograph nicht allein einer individuell
subjektiven Intuition folgt sondern auch wissenschaftlichen Forderungen nachkommt;
denn die Karte soll ein wissenschaftlich geklärtes Kunsterzeugnis sein. Wissen
schaftlich geklärt ist sie nur, wenn sie die Gesetze befolgt, die aus der geo
graphischen Wissenschaft herausgewachsen und von der Logik geformt sind. Die
wissenschaftliche Generalisation führt die Übersichtlichkeit des Kartenbildes herbei. 1
Lei vielen, besonders auch angewandten Karten, läßt die wissenschaftliche Klassi
fikation, d. h. die Bildung von Ober-, von Gattungsbegriffen zu wünschen übrig.
Darüber müßten noch auszubildende kartographische Arbeitsmethoden belehren, die
die „quantitative und qualitative Gleichwertigkeit“ aller Kartenteile (Homogenität)
und „eine bewußte geographische Akzentuierung“ berücksichtigen. 1 2
Den richtigen Gattungsbegriff zu bestimmen ist nicht immer leicht. Das zeigt
sich zunächst bei der (physischen) Landkarte. Je größer der Maßstab einer Karte ist,
etwa 1 :25000 oder 1:5000,—in dem z.B. die geplante Topographische (Topometrische)
Grundkarte des Deutschen Reiches erscheinen wird —, umsoweniger, bzw. gar nicht ist
mit Gattungsbegriffen zu operieren, da ja alles Dingliche trotz der Verjüngung natur
gemäß dargestellt werden kann. Dagegen fängt bei den kleinern Maßstäben die topo
graphische Karte bereits an, gattungsbegrifflich vorzugehen, d. h. bestimmte Signaturen
für bestimmte Objekte zu wählen. Der Grundriß eines Ortes, der in 1:5000 selbst
die Details jedes Häuserblocks erkennen läßt, hat auf dem Meßtischblatt oder der
4 cm-Karte diese Details schon wesentlich reduziert; die 1 cm-Karte (1:100000),
zeigt bloß noch den allgemeinen Umriß der Orte; im Maßstab der 2 mm-Karte
(1:500000) ist man gezwungen, bei der Darstellung der meisten (kleinern) Orte zum
Symbol seine Zuflucht zu nehmen. Hier tritt sodann die gattungsbegriffliche Tätigkeit
auf den Plan. Wie es mit den Ortschaften geschieht, so mit der gesamten Situation,
was wir beispielsweise gut bei der Verringerung der Anzahl der Flüsse mit dem Ver
kleinern des Maßstabes konstatieren können. Nun darf man sich die Sache nicht so
vorstellen, als ob die Größe bzw. Länge der Flüsse allein ausschlaggebend sei. Der
kleinere Nebenfluß hat oft mehr Bedeutung als der größere, sei es in wirtschaftlicher
Beziehung infolge größerer Wasserfülle bez. günstigerer Gefälleverhältnisse oder sei es
in histoiischer, indem an ihm berühmte Schlachten usw. stattgefunden haben. Da
kommt es ganz auf die wissenschaftliche Bildung des Verfassers an, die richtige Aus
wahl zu treffen und den richtigen Oberbegriff zu bilden. Ähnlich verhält es sich bei
der Geländedarstellung. Ein Berg oder ein Hügelkomplex, der bei einem gewählten
Maßstab kartographisch belanglos ist, wird trotzdem dargestellt, wenn ihm irgendeine
besondere Bedeutung zukommt. Im allgemeinen wird das Generalisieren von dem zer
gliederten Geländegebilde des großen Maßstabes zu dem geschlossenen im kleinen Maß
stabe fortschreiten, wobei sich vielfach nur eine orographische Hauptform (etwa Kuppe
oder Tafelberg usw.) zeigt, bis auch diese mit dem kleinsten Maßstabe ganz verschwindet.
Ebenso ist bei der Schriftauswahl und der wechselnden Schriftgröße logisch vor
zugehen, denn auch durch die Schrift werden Gattungsbegriffe gekennzeichnet.
Wie die Landkarte unterwirft sich die angewandt e Karte dem logischen Begriff
der Generalisierung. Das hat A. Hettner vor einigen Jahren eingehender beleuchtet,
1 Vgl. A. Hettner i. G. Z. 1901, S. 501.
2 Was zum ersten Male geschehen ist durch die lehrreiche Abhandlung von Ed. Imhof:
Siedelungsgrundriß-Formen u. ihre Generalisierung im Kartenhilde. Mit 12 Taf. nach Kartenaus
schnitten. S.-A. aus d. Mitt. d. Geogr.-Ethmogr. Ges. Zürich. XXIII. Zürich 1924.