Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Wesen uud Aufbau der Seekarte. 
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So kann es nicht wundernehmen, daß die Nautiker jener Zeiten nach der jeweiligen 
Kenntnis von der der Erde eigentümlichen Gestalt ihre Meilenmaße ständig änderten. 
Im großen und ganzen erfuhren diese fast immer eine Vergrößerung. Wurde 1° des 
Äquators zunächst zu 70 miliaria maritima oder Miglien bestimmt, so später zu 
75 Miglien (75 X 1480 = 111000 m). Der Äquatorgrad sollte noch auf lange Zeit, 
ja bis in die Gegenwart hinein, eine Kolle nicht bloß in der Streckenberechnung zu 
Lande, sondern auch zur See spielen. Traditionell war es geworden, daß die deutsche 
Seemeile = 4 / 15 , die italienische = 1 / 60 des Äquatorgrades und mithin 4 / 4 deutsche 
Meile = 1 italienische Meile = 1 Seemeile ist. Darum berechneten nach Bes sels 
Elementen E. Debes die sea mile zu 1855,110 m 1 und die Nordamerikaner in den 
Projection tables for the use of the U. S. Navy 1 2 zu 1855,109829 m. In Guyots 
Metereological tables 3 4 5 6 lesen wir: 1 geographica! oder nautical mile (60 = 1°, Equator) 
= 1855,110 m. 4 Gegen die Annahme dieser Seemeile, die gegenüber der jetzt meist 
üblichen um 2 und 3 m zu groß ist, wandte sich unter andern wohl zuerst K. Zöppritz. 5 
Übrigens haben die Vereinigten Staaten seit den neunziger Jahren des vergangenen 
Jahrhunderts die Seemeile als Äquatorminute aufgegeben. 
Neben der Beziehung der Seemeile zum Äquatorgrad ging die zum Breiten 
grad nebenher, allerdings erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, von den Fran 
zosen berechnet und eingeführt, als man erkannt hatte, daß die Erde ein an den Polen 
abgeplattetes Sphäroid sei. All diese Berechnungen, denen wir zum erstenmal in 
Pierre Bouguers Nouveau traité de navigation, Paris 1753, begegnen, geben der 
Seemeile als mittlerer Breitenminute oder mittlerer Meridianminute eine 
Größe, die in Meter umgerechnet 1852 m wertet. Den Berechnungen liegen Teile 
des Meridianbogens zugrunde. Mit der mittlern Breitenminute (an average minute 
of latitude) ist nicht die „Minute in mittlerer Breite“ (a minute of mit-latitude) zu 
verwechseln, die der Maßstabberechnung moderner Seekarten dient, insofern die 
Mittelbreite des betreffenden Kartenblatts die Grundlage dieser Berechnung bildet. 
Auf englischen Seekarten ist das bereits seit längerer Zeit üblich, auf den deutschen 
erst seit 1904 (s. S. 29). 
Eine von der obigen Seemeile etwas abweichende Größe erhält man, wenn die 
Minutenmeile auf einer Kugel von mittlerm Badins errechnet wird. Man hat 
sie da zu rund 1853 m = 6080 engl. Fuß und auch zu 1852 m = dem 21600sten Teile 
des mittlern Erdumfangs gefunden. Letztere Beziehung, die der Seemeile die Länge 
einer Minute des mittlern Erdumfangs gibt, findet sich u. a. in Breusings Steuer 
mannskunst. 6 Je nachdem man sich auf den Abplattungswert des Sphäroids der 
Franzosen vom Jahre 1800, von Méchain-Delambre 1810, von Bessel 1841, von 
1 E. Debes: Hilfstabellen. G. J. I, 1866, S. XII. 
2 Hg. v. Bureau of navigation, Navy Department, Washington 1869. 
3 4. Ausg. 1884, bearbeitet von W. Libbey. Smithsonian Miscellaneous Collections Nr. 538, 
1884, S. 523, 532 (auch in Smith. Mise. Coli. XXVIII, 1887). (Nach H. Wagner zitiert.) 
4 Für die nautical oder geographical mile finden wir auch die Größe von 1854, 965 m an 
gegeben. Die Seemeile ist nicht zu verwechseln mit der Statute mile oder British mile = 5280 feet 
= 1609,330 m, die wir im Deutschen „Englische Meile“ bezeichnen. Daneben gibt es noch die 
English mile — 5000 feet = 1523,986 m; sie ist also nicht das, was wir deutsch „englische Meile“ 
nennen. 
5 K. Zöppritz i. G. J. IX, 1882, S. XIV. 
6 A. Breusing’s Steuermannskunst. 7. Aufl. von O..Fulst, H. Meldau u. C. Schilling. 
Leipzig 1904, S. 145.
	        
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