Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Ästhetik und Logik der Karte. 
besondern Abschnitt meiner Untersuchungen zuweisen mußte. 1 Nur ein ganz allge 
meines Beispiel sei hier nochmals in Erinnerung gebracht, die Erdkarten, also Karten, 
die das gesamte Erdbild veranschaulichen sollen. Bis vor wenigen Jahren herrschte 
unter den Erdkarten mit souveräner Macht die Mercatorkarte und daneben fristeten 
lediglich die Planigloben ein bescheidenes Dasein. Indessen fangen jetzt auch andere 
Erdbilder an, die hauptsächlich aus der logischen Erwägung bestimmter Zweck* 
dienung hervorgehen, sich einzubürgern. Aber immer noch herrscht über Gebühr die 
Mercatorkarte. Rein logisch betrachtet ist sie keine vollkommene Erdkarte, da sie 
die Erdgebiete nicht vollständig bis zu den Polen darzustellen vermag., Sie bleibt 
immer unvollständig, ewig nur eine Teilkarte der Erde. Das Meer und die Polgebiete 
sind integrierende Bestandteile der Erdoberfläche, für das Ganze von der gleichen 
Wichtigkeit wie das übrige Land, und mithin verdienen sie in keiner Weise eine Ver 
nachlässigung auf kartographischen Gesamtdarstellungen. Das geschieht aber in 
höchstem Maße auf den meisten im Handel befindlichen Karten, die in Mercator- 
projektion entworfen und auf denen die antarktischen Ausläufer der drei großen 
Weltmeere abgeschnitten sind. Eine weitere logische Inkonsequenz ist das Heraus 
rücken des Äquators aus der Mitte der Erdkarte. Das Erdbild wird nach Norden 
verschoben. Das Beschneiden der Mercator karten im Süden ist geradezu zu einer 
Unsitte ausgeartet, gegen die bereits energisch protestiert wurde (Martha Krug u. a.), 
leider mit geringem Erfolg. 
274. Die Signaturen. Der Punkt und seine Modifikationen. Insonderheit ge 
hören Kartenzeichen (Signaturen) und Farben in den Kreis logischer (wie 
ästhetischer) Erwägungen. Gerade die Logik führt hier zu Tatsachen, die für die 
Kartenkritiker wie für den Kartographen geradezu bündig werden. Doch auch hier 
wollen wir uns nicht verhehlen, zu bekennen, daß es keine ewigen Tatsachen, sowie 
es keine absoluten Wahrheiten gibt, wie Fr. Nietzsche im „Menschlichen, Allzu 
menschlichen“ sagt. 
Der Verteilung der Zeichen innerhalb der Kartenfläche ist große Auf 
merksamkeit zu schenken. Beziehen sie sich nur auf ein engbegrenztes, punktartiges 
Gebiet, ist ganz besonders auf die exakte Lokalisation zu achten; erscheinen sie in 
größerer Anzahl, um weite Gebiete zu umspannen, müssen die Zeichen weder zu 
dicht noch zu sporadisch gesetzt werden. Nicht selten ist es die große Menge der 
verschiedenen Symbole, die die Karten unübersichtlich gestalten. 1 2 3 Das Zusammen 
drängen von Zeichen, z. B. von Pfeilen bei Meeresströmungen, kann dem Bild, hier 
den Meeresströmungen, eine Bestimmtheit verleihen, die gar nicht angebracht ist. 2 
Das einfachste kartographische Zeichen ist der Punkt; er lokalisiert genau 
und hat darum etwas Exaktes an sich. 4 Vor allem kann er bestimmte Punkte 
1 Vgl. die einschlägigen Abschnitte in M. Eckert: Die Kartenwissenschaft, I, S. 115ff. 
2 Uber die große Menge konventioneller Zeichen für Bodenarten (Moor, Sand oder Geest, 
Marsch usw.) und für Kulturen, die all in einem ziemlich gleichen Ton, in Schwarz, wie die Schichten 
kurven gehalten sind und daher den Blick verwirren, klagt schon R. Lorenz bei der Betrachtung 
des „topographischen Atlas van het Koningrijk der Nederlanden“, 1 : 200000. P. M. 1867, S. 361. 
3 Das ist unter andern auch E. Knipping bei H. Bergbaus’ Chart of the world aufgefallen. 
P. M. 1897, LB. 467, S. 129. 
4 Vgl. E. Friedrich: Die Anwendung der kartograph. Darstellungsmittel auf wirtschafts- 
geogr. Karten. Leipzig 1901, S. 13ff.
	        
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