Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die See- und Meerkarte. 
graphisch oder mit Hilfe der Toleta koppelte und als gerade Linien niederlegte“. 
Das Notieren und Bearbeiten der gesteuerten Kurse und gesegelten Distanzen und 
sonstiger hydrographischer Beobachtungen und Ergebnisse scheint sich allmählich 
zu einem besondern Beruf ausgebildet zu haben. 1 Ich nehme an, daß diese Bearbeiter 
von Segelanweisungen und Kartenskizzen entweder auf eigene Rechnung arbeiteten 
oder in den Kontoren größerer Reedereien oder Seehandlungsgesellschaften in der 
gleichen Sache tätig waren. Durch die Völker, die die Schiffahrt im Mittelmeer und 
Nachbargebieten betrieben und sich nacheinander nach jahrhundertelanger Tätigkeit 
ablösten, wie die Griechen, Phönizier, Italiener und deren Schüler, die Katalanen 
von den Balearen, sodann die Spanier einschließlich Portugiesen, kam sicher eine 
Art Gleichmäßigkeit in die Schiffsberichte, Segelanweisungen, Seekartenskizzen usw. 
Italien, durch seine Lage zwischen den beiden Mittelmeerbecken begünstigt, konnte 
am längsten, auf Jahrhunderte hinaus die Traditionen der mittelländischen Seefahrt 
pflegen, besonders in den Häfen Amalfi, Pisa, Genua und Venedig. So ergibt die 
Logik geschichtlicher Tatsachenfolge, daß die ersten Rumbenkarten italienischen 
Ursprungs sind, während die Uranfänge dazu, wie auch H. Wagner meint, bei den 
Griechen und Phöniziern zu suchen sind. 
Neben der Distanz war der Kurs, der nach Windrichtungen gegeben wurde, 
ebenso wichtig. Jahrhundertelange Übung und Erfahrung hatten auf den Karten 
skizzen eine halbwegs genaue Angabe der Lage von Küstenplätzen bewirkt. Wie 
die Segelanweisungen usw. gleichsam in ein Hauptjournal eingetragen wurden, so. 
jedenfalls auch die Kartenskizzen. Hier und da wurden sie auf einem besonders 
haltbaren Pergament aneinandergereiht; das Kartenbild verdichtete sich mehr, und 
mehr, wobei auch die Darstellung der Küstenkonturen aus älterer Zeit benutzt 
wurden 1 2 , und schließlich war das geschlossene Bild eines großem Meeresbeckens 
fertig, zuerst wohl das östliche Mittelmeerbecken mit dem Schwarzen Meere. Die 
gegenseitigen Entfernungsangaben wurden mit dem Zirkel nach einem verjüngten 
Maßstab (berechnet nach dem Meilenmaßstab) und nach der Windrichtung festgelegt. 3 
Nicht immer wird man die richtige Ortslage gleich getroffen haben; aus vielen Mit 
teilungen und Vergleichen wurde erst die wahre Ortslage durch iUisgleichung gefunden, 
was sicherlich an die Scharfsinnigkeit und die kombinierende Tätigkeit der Karten 
macher große Anforderungen stellte. Die vielen Rumbenstrahlen von einem Ort aus 
werden das Bild undeutlich gemacht haben, und man wird auf Mittel und Wege 
gesonnen haben, Ordnung in die Rumbenanhäufungen zu bringen. Endlich, vielleicht 
erst im 13. Jahrhundert, verfiel man auf die Idee, die Haupt- und Nebenwinde 
gleichmäßig über das Kartenbild zu verteilen, wenngleich ihre Ausgangszentren auch 
vielfach imaginäre Orte waren. Man bedeckte also in gewisser Ordnung das Karten 
bild mit einem Zentralwindstrahlen- oder Zentralrumbenbüschel in der Mitte des 
Blattes, das von 12, zumeist von 16 Nebenrumbenbüscheln in gleicher Entfernung 
umkreist wurde. Die Regelmäßigkeit der Linienführung genierte den Nautiker in 
keiner Weise; denn es verursachte keine sonderliche Mühe, zu einem gegebenen 
Kompaßstrich oder Rumb eine parallele Linie zu ziehen, also den Kurs darnach zu 
1 Auch A. Breusing hatte einem ähnlichen Gedanken bereits Ausdruck gegeben. Vgl. Zur 
Gesch. der Kartographie. La toleta de Marteloio u. d. loxodromisch. Karten. Z. f. wiss. Geogr. II, 
Lahr 1881, S. 183. 
2 J. Chr. Pfennig, a. a. O., S. 335. 
3 S. Rüge, a. a. O., S. 180.
	        
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