Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Wesen und Aufbau der Seekarte. 
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richten und die Distanzen leicht abzuschätzen, vorausgesetzt, daß der Seefahrer die 
Rumbenkarte, die unter Umständen in einem kostbaren Manuskript vorlag, auch 
wirklich gebrauchte. Die spätem gedruckten Eumbenkarten haben aus bewußtem 
Grunde zu der Bezeichnung „mappae compositae per rhombos et distantias“ geführt. 1 
Aus einer Bemerkung in Waghenaers ,,the light of navigation“ (Amsterdam 1612) 
will S. Rüge schließen, daß die handschriftlichen Eumbenkarten bei den Schiffern 
beliebter als die gedruckten waren. 1 2 Handschriftliche reichen bis ins 17. Jahrhundert 
hinein. Nach Uzielli-Amat besitzen wir aus dem 14. und 15. Jahrhundert 130 
und aus den beiden folgenden Jahrhunderten 300 Eumbenkarten. Sicher sind diese 
Zahlen noch zu vergrößern. 
Bei der Konstruktion der Rumbenkarte war der Meilenmaßstab unentbehrlich, 
schon wegen der Größe der Karte, die sich dem Pergament anzupassen hatte. Man 
dürfte dabei in dieser Weise verfahren sein: Das Pergament wurde aufgespannt und 
darauf zuerst die Größe des Kartenblattes berechnet, bzw. abgemessen, sodann das 
Koordinatenkreuz, d. h. die mittlere Quer- und Längsachse festgelegt. Ferner suchte 
man das YerjüngungsVerhältnis (s. oben), das im Meilenmaßstab gleichsam seinen 
Ausdruck fand, für das abzubildende Gebiet festzulegen. Es handelte sich dabei 
immer wieder um das Mittelmeer oder Teile desselben. Bei der großen westöstlichen 
Erstreckung des Mittelmeeres und den weniger bekannten nordeuropäischen Küsten 
kam es in der Hauptsache auf die Darstellung eines in westöstlicher Richtung ge 
streckten Gebietes an, wozu aber zwei Zentralrumbensonnen mit den dazu gehörigen 
Nebenrumbenzentren benötigt wurden. Erst im 16. Jahrhundert und später, als 
man <Jie Küstengebiete Nordeuropas und Afrikas besser kennen lernte, konnte sich 
die Rumbenkarte weiter nach N und S ausdehnen, wobei die beiden Zentralsonnen 
wieder zu einer zusammenschrumpften, die entweder bei Rom oder inmitten des 
Tyrrhenischen Meeres lag. Doch sind die hierhergehörigen Karten 3 als Übergangs 
erscheinungen zu den Eumbenkarten des 16. Jahrhunderts aufzufassen. Bei einer 
autorlosen Rumbenkarte aus dem Jahre 1502 4 , die Afrika und ganz Eurasien umfaßt, 
befindet sich die Zentralrose im 0 des geraubten Deutsch-Ostafrika. So wurde immer 
wieder der Umfang des darzustellenden Gebietes für die Anlage des Rumbensystems 
maßgebend. 
Bei der Auffälligkeit, die die Rumben auf den alten Seekarten besitzen, ist es 
kein Wunder, daß man sie als Mittel zur Kartenkonstruktion ansprach und ihnen 
die Rolle zuwies, die später das geographische Koordinatennetz, bzw. die Karten 
projektion übernahm. Daß das Rumbensystem kein Kartenkonstruktionsmittel 
ist, dafür spricht eine Reihe gewichtiger Gründe. Zunächst ist es die merkwürdige 
Lage der Windrosenzentren, die projektionstechnisch in keiner Weise gerechtfertigt 
ist; denn bald verweist sie auf den Kartenrand, bald'ins Land-, bald ins Meerinnere. 
Warum so oder so? Darauf werden wir nie Antwort erhalten, wenn die Rumben 
als Konstruktionselement angesehen werden. Sodann ist es das zuweilen minimale 
Hin- und Herschwanken der zentralen Rumbenrose, was zu denken gibt. Wenn die 
1 Vgl. E. Steger, a. ar. O., S. 43. 
2 Daß der Zirkel schon Ende des 13. Jahrh. zum Messen auf Karten gebraucht wurde, darüber 
vgl. S. Rüge in Deutsche Geogr. Bl. XXIII, Bremen 1900, S. 168. 
3 z. B. die autorlose Rumbenkarte aus d. 15. Jahrh. i. der Bi. zu Upsala. Nordenskiölds 
Periplus, T. XIX; ferner die Rumbenkarte von Conte Freducci 1497, Periplus, T. XXII. 
4 Vgl. Nordenskiöld: Periplus, T. XLV.
	        
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