760
Die Kriegskartographie.
de France“ in 1:200000 und die „Carte de France“ in 1:820000, die eine in Kupfer
stich wiedergegebene Reduktion der Karte 1:80000 ist und als die strategische Karte
Frankreichs gilt; sie wird dauernd evident gehalten. Als Übersichtskarte kam die
„Carte de la France“ in 1:500000 in Betracht, die im Dépôt des fortifications 1871
begonnen und 1898 vollendet worden war.
Auf belgischem Gebiet wurden die Originalaufnahmen, „Planchettes“, in
1:20000 (Carte topographique de la Belgique) benutzt, sowie die auf diesen Aufnahmen
beruhenden Kartenwerke in 1:40000 und 1:60000. Von der eigentlichen Kriegskarte
Belgiens, der „Carte militaire de la Belgique“ in 1:160000, wurde wenig Gebrauch
gemacht. Für Belgien hatten die Engländer eine Operationskarte in 1:100000 vor
bereitet (darüber später mehr).
Für das russische Kampfgebiet kamen die topographischen Karten des west-
russischen Grenzgebietes in 1:43000 (Ein Werst-Karte) und in 1:84000 (Zwei Werst-
Karte) in Frage. Die Karten sind im Detail reichhaltig und berücksichtigen nicht
bloß militärische Bedürfnisse. Man muß ihnen eine gewisse Sorgfalt der Ausfüllung
nachrühmen, was bei der eigentlichen russischen Kriegskarte, der „militärgeographi
schen Karte des europäischen Rußland“ in 1:126000 (Drei Werst-Karte), nicht der
Fall ist, bedingt durch das verschiedene Alter der einzelnen Sektionen, deren einige
ohne kurrent gehalten zu sein bis auf 1847 zurückdatieren.
Eine mehr selbständige Kartenarbeit tritt uns in der englischen Karte von
Belgien in 1:100000 entgegen. Ein besonderer Netzentwurf macht die Karte kennt
lich; freilich haben es sich dabei die Engländer sehr leicht gemacht und nur die echte
Zylinderprojektion, wie wir sie im Altertum bereits bei Marinus und Ptolemäus finden,
angewandt. Das Terrain ist in braunen Schichtlinien von 10 m Äquidistanz dargestellt,
die Wälder in grünem Flächenkolorit, die Gewässer in blauem, die Eisenbahnen er
scheinen in Schwarz, das übrige Wegenetz ist rot überdruckt. Es ist sicher eine prächtige
Karte, die die geographische Abteilung des englischen Generalstabes herausgebracht
hat, und ich bin geneigt, dem Urteil Winterbothams zuzustimmen, der sie das für
strategische Zwecke bei weitem beste jemals erschienene Kartenwerk erklärt. Die
Karte, die weit nach Frankreich hineinreicht, war für den belgischen Anteil 1912 fix
und fertig und bildet einen wichtigen Beleg dafür, daß der Engländer sein Karten
material längst vor Beginn des Krieges vorbereitet hatte, besonders für Belgien, sein
europäisches Glacis. Das Blatt Namur z. B. ist 1910 vollendet worden, auf ihm wie
auf den andern Karten steht oben „for official use only“, am untern Rand „War Office,
Dec. 1910; printed at the Ordnance Survey Office, Southampton 1912“. Angesichts
dieser Tatsache wagt A. R. Hinks zu behaupten, daß die Deutschen „die Schmach
gegenüber Belgien geplant hätten“ 1 , obwohl er auf Grundlage der Erfahrungen im
Kriege wissen mußte, daß wir für Belgien keine besondere Karte bearbeitet und uns
für die angrenzenden französischen Gebiete mit dem Nachdruck der Karte 1:80000
begnügt hatten.
An eine eigene Operationskarte für ein ausgedehntes Gebiet in kleinem Maßstab,
etwa wie die vom deutschen Generalstab herausgegebene in 1:800000, haben die
Engländer nicht gedacht. Ihnen fehlt eben die wünschenswerte kartographisch
wissenschaftliche Kapazität und Elastizität, wie ich an anderer Stelle nachgewiesen
habe. 1 2 Darum konnte es den Engländern mehr als willkommen sein, daß das Projekt
1 Arthur R. Hinks: German war maps and survey, Geogr. Journ. LIII. London 1919, S. 31.
2 M. Eckert: Die Kartenwissenschbft I, S. 89.