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Die Kriegskartographie.
1:500000 u. a. m. Die vielen Kriegsschauplatzkarten, die von großen und kleinen
Kartenfirmen herausgegeben wurden, sind erst eine Folgeerscheinung des Krieges.
Für Kleinasien, Syrien, Persien wurde französisches und englisches Karten
material herbeigezogen, so die ,,Carte de la Palestine et du Liban“ in 1:500000 von
L. Thuillier, E. G. Rey und Ad. Chauvet, die „Carte du Nord de la Syrie“ in 1:500000
von L. Thuillier und E. G. Rey, ferner die englischen Karten „Map of Armenia and
adjacent countries“ in 1:1000000 von H. F. B. Lynch und F. Oswald; „Ordnance
Survey of the Peninsula of Sinai“ in 1:126720 von C. W. Wilson und H. S. Palmer;
„Map of Afghanistan, based on Survey of India Map“ in 1:2027520 usf.
II. Die Kartenbearbeitung und Kartenneuaufnahme.
302. Die geodätischen Grundlagen des Kartenmaterials. Die höchste Entwicklung
hatte die Kriegskartographie auf dem französischen Kriegsschauplatz gefunden, wo
Freund und Feind gleichmäßig an der Verbesserung der Karten tätig war. Darum
beschränk ich mich bei meinen Ausführungen fast ausschließlich auf das Karten
material der Westfront. Mir sind zwar die Karten der andern Fronten nicht unbekannt,
und ich habe auch Gelegenheit gehabt, Kartenmaterial und -aufnahmen der Ost-,
Süilost- und Palästinafront zu begutachten, indessen habe ich meine Erfahrungen
auf dem westlichen Kriegsschauplatz gesammelt, wo ich seit dem Frühjahr 1915
persönlich an der Herstellung neuen Planmaterials beteiligt war, indem ich die Ver
messungsabteilung eines großem Frontabschnittes führte und mit großem Vermessungs-
arbeiten außerhalb des Armeebereichs, dem ich speziell zugeteilt war, von der Obersten
Heeresleitung betraut war.
Für die weit zerstreuten Kriegsschauplätze lag ein Kartenmaterial vor, das ebenso
mannigfaltig wie verschiedengradig an Wert war. Die Hauptsorge einer großen krieg-
führenden Macht war zunächst, die Mannigfaltigkeit sowohl wie die Fehlerhaftigkeit
vieler Kartenwerke herabzumindern, insonderheit sie mit dem einheimischen der
Landesaufnahme tunlichst in Einklang zu bringen. Nach dieser Richtung hin ist von der
deutschen Landesaufnahme und vorzugsweise von den in ihrem Sinne arbeitenden
Kriegsvermessungsabteilungen eine Riesenarbeit geleistet worden, von der selbst
Kartenkundige, geschweige denn Außenstehende kaum eine Ahnung haben. Schon
aus diesem Grunde hätte der Engländer A. R. Hinks 1 vorsichtiger über das deutsche
Kriegskarten- und Vermessungswesen urteilen sollen.
Da der Stellungskrieg und ganz besonders die Artillerie an die Genauigkeit der
Karten Anforderungen stellte, an die man früher nicht im entferntesten gedacht hatte,
mußte man bereits Kartenfehlern Rechnung tragen, die auf verschiedener Berechnung
des Sphäroids beruhen. Bei der ältern Landesvermessung war in Frankreich das
aus den Gradmessungen in Frankreich und Peru abgeleitete Sphäroid von Delambre
1 Arthur R. Hinks, a. a. 0„ S. 30—44. Er kann lediglich auf Grund bescheidener Erfahrungen
im Kriegsgelände und an der Hand weniger Beutekarten geurteilt haben. Immerhin bleibt es ein
bemerkenswerter Beitrag zur Kriegspsychose unserer Gegner. Von deutscher Seite aus ist der Angriff
von Hinks zunächst von General v. Bertrab zurückgewiesen worden, i. P. M. 1919, S. 100 ff., aller
dings nicht in der wünschenswerten scharf pointierten Weise, dagegen schon eingehender und
sachlicher von Oberst!. S. Boelcke i. P. M. 1920. S. Off. — Vgl. ferner A. R. Hinks: Maps and
survey. 2. Aufl. Cambridge 1923. S. 233 — 239. Bezüglich des deutschen Kriegsvermessungswesens
wäre es Zeit, daß er hier seine Ansicht einmal gründlich revidierte!