Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die See- und Meerkarte. 
Rumben Aufbauelemente gewesen wären, dann könnte man sicher sein, daß ein 
Zeichner von dem andern direkt das System kopiert hätte. Selbst ein Zeichner 
würde nicht so leicht mit der Lage der Zentralrosen gewechselt haben, wie wir bei 
spielsweise bei den Karten gleichen Inhalts, aber aus verschiedenen Jahren des 
Petrus Yesconte sehen. Warum hätte er sich eine so große Mühe immer wieder von 
neuem machen wollen? Drittens spricht gegen die Rumben als Konstruktionsmittel 
das mannigfache Wechseln des Radius in dem Rumbensystem, also der Entfernung 
des Zentrums der Nebenrumbenrosen zur zentralen Windrose. Der Radius ist ledig 
lich von der Größe des Pergamentes, d. h. von dessen kürzester Ausdehnung ab 
hängig. Viertens kann man beim scharfen Betrachten der Manuskriptkarten hier 
und da wahrnehmen, daß die Strahlen über das fertige Kartenbild gezogen erscheinen. 
Ein fünfter und rein technischer Grund spricht dafür, daß das Rumbensystem zu 
letzt ins Kartenbild hineingelegt wurde. Denn es läßt sich auf vielen Karten er 
kennen, daß bei der Konstruktion des Systems darauf geachtet wurde, die Zentren 
verschiedener Rumbenbüschel in die Nähe bedeutender Handelszentren oder Hafen 
plätze fallen zu lassen. Dabei erweist es sich als ein Übel, daß die Beschriftung be 
deutender Küstenorte durch das Zusammenfließen der Rumben in einen Punkt 
arg gelitten hat und eine Entzifferung der betreffenden Namen nicht selten zur Un 
möglichkeit wird. Das geht gegen jegliche kartographische Darstellungsmethode. 
Ein Kartograph wird nimmermehr das Zentrum eines Strahlenbündels, sobald es 
bereits gezeichnet vor ihm liegt, mit Namen überlasten, sondern die Schrift so zu 
stellen versuchen, daß sie weniger die Linien tangiert und dadurch leserlicher wird. 
Hat A. E. v. Nordenskiöld auch nicht alle Gründe wie ich in Erwägung 
gezogen, ist er doch zu dem gleichen Resultat gekommen, indem er nachdrücklichst 
betont: ,,On the maps I have exermined the loxodrome- or portolan-network has 
beeil laid down after the drawing of the map itself“. Nordenskiöld und ich stehen 
hier im Gegensatz zu 0. Peschei 1 , Th. Fischer 1 2 , K. Kretschmer 3 , die in dem 
Rumbenbild das untrügliche Äquivalent einer Projektion erblicken. Wenn Kretschmer 
meint, der nicht vollständig fertig gestellte Atlas des Maggiolo 4 , worin sich neben 
vollständig ausgeführten Karten Rumbennetze ohne Kartenbild befinden, sei ein 
sicherer Beweis, daß erst die Rumben entworfen und dann der Landkartenumriß 
hineinkonstruiert worden sei, irrt er auf jeden Fall; denn es befindet sich bei Maggiolo 
kein Hinweis, daß tatsächlich erst das Rumbenbild konstruiert wird. Es scheint sich 
hier lediglich um Beispiele zu handeln. Daß alte Kartenplagiatoren auch den um 
gekehrten Weg, wie ich ihn angegeben habe, eingeschlagen haben, unterliegt keinem 
Zweifel, doch für die Autoren der Originalkarten ist dies nicht Regel. 
Sehr wahrscheinlich ist, daß die Rumbenrose im 13. Jahrhundert ebensowohl 
auf die Karte wie auf das Kompaßbild, den Untergrund der Kompaßnadel über 
tragen wurde. Soweit die Nachrichten jetzt vorliegen, wurde der Seekompaß in 
Europa am Ende des 12. oder zum Beginn des 13. Jahrhunderts bekannt. 5 Beide 
Abbildungen scheinen auf eine Quelle zurückzugehen, denn sicherlich wurden bereits 
1 O. Peschei: Geschichte der Erdk., München 1877, S, 208. 
2 Th. Fischer: Sammlung mittelalterlicher Welt- und Seekarten. Venedig 1886, S. 82. 
3 K. Kretschmer: Die italienischen Portulane des Mittelalters. Ein Beitrag z. Gesch, der 
Kartogr. u. Nautik. Veröff. des Instit. f. Meeresk., Heft 13. Berlin 1909, S. 81—99. 
4 Der Atlas von Maggiolo befindet sich i. d. Nat. Bi. zu Florenz. 
5 Nicht aber erst um 1270, wie man z. B. bei M. Groll, a. a. 0., S. 78, liest.
	        
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