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Die Kriegskartographie.
ziehende Römerstraße. Die vorliegende französische Generalstabskarte brachte das
Fort St. Hilaire in nicht richtiger Lage. Bei der Eintragung befestigter Anlagen ins
Kartenbild begegnen wir auf offiziellen Karten nicht selten bewußten Fehlern. Im
übrigen gelingt es selten mit Hilfe der Fliegeraufnahmen die Ungenauigkeit der offiziellen
Karten nachzuweisen; denn diese sind großmaßstabig und bei der Wiedergabe der
Grundrißzeichnung lagengerechter als die über das ganze Bild schwer nur maßstab-
durchhaltenden Flugzeugbilder.
Noch zu erwähnen ist ein kompliziertes Verfahren der Auswertung von Flieger
bildern, das Pyramidenverfahren, das im Kriege gegenüber den einfachen Methoden,
die bei den senkrechten Aufnahmen vollständig genügten, vernachlässigt wurde. 1
Bei ihm werden nur drei Festpunkte benötigt. Es sind eine große Anzahl Skizzen und
eine ausführliche Beschreibung notwendig, um die Methode nach allen Richtungen
hin klarzulegen, was einschließlich theoretischer Erörterungen mich weit über den
Rahmen einer Erörterung der Kriegskarte hinausführen würde. 1 2
307. Die Maßstäbe der neuen Kriegskarten. 3 Das topographische Kartenmaterial,
das durch die Neuaufnahmen gewonnen wurde, kam in verschiedenen Maßstäben zur
Anwendung. An wenigen Frontgebieten wurden Karten im Maßstab 1:50000 gebraucht.
Für die gesamte Front war deutscherseits eine einheitliche Karte in 1:25000 geplant.
Auf belgischem Gebiet begnügte man sich mit der Verbesserung der belgischen Karte
1:20000. Für größere taktische Unternehmungen dienten die Sonderkarten 1:10000
wie die Grabenkarten 1:5000. Ausnahmsweise und örtlich begrenzt wurden maßstab
größere Karten als 1:5000 gebraucht, so die Karten in 1:2500 für Minenwerfer und
für Stoßtrupps. Später, wo es im Kriege hieß, mit dem Papier sparsam umzugehen,
war man von diesen großmaßstabigen Karten in 1:2000 bis 1:5000 ganz abgekommen.
Auf französischer Seite wurden auch Aufnahmen in 1:5000 und 1:10000
vorgenommen; sie galten in der Hauptsache der Kampfzone und wurden gleichfalls
mit der Bezeichnung ,,Plans directeurs“ belegt. Der Plan directeur 1:10000 brachte
außer vielen Einzelheiten insonderheit die feindlichen Anlagen. Er wurde vorzugs
weise von den Stäben zur Auf- und Abmessung der Entfernungen gebraucht. Der
Plan directeur 1:5000 war ein Angriffskroki, im Prinzip beschränkt bis zur vordersten
feindlichen Stellung. Er gab alle bekannten Aufklärungen der deutschen Anlagen
und war besonders für die Infantrie bestimmt. Alle diese verschiedenen Plans directeurs
1 M. Eckert, Die Kartenwissenschaft, I, S. 275.
2 Das Pyramidenverfahren ist umständlich. Einfacher ist das des räumlichen Rückwärts
einschnittes durch Zerlegen in Grundriß und Aufriß, das T. Fischer erdacht und C. Pulferich
weiter modifiziert hat. Die Idee des Pyramidenverfahrens findet neuerdings eine fruchtbare An
wendung in der genauen Zwecken dienenden Luftphotogrammetrie, wie sie teilweise vor und in dem
Kriege gefördert wurde, indessen ihre sichere Begründung, Arbeitsweisen und Aufnahme- und Auswerte
geräte erst jetzt durch R. Hugershoff (und H. Cranz) erhalten hat. Die bedeutungsvollen Unter
suchungen beider sind niedergelegt in dem Werke „Grundlagen der Photogrammetrie aus Luftfahr
zeugen“, das 1919 in Stuttgart erschien. Aber auch heute schon ist dieses Werk veraltet, und man
muß sich an R. Hugershoffs neuere Veröffentlichungen und Autokartographen halten, um auf dem
Laufenden zu bleiben. Recht gut orientiert auch H. Krebs mit seiner Abhandlung: Der Hugers
hoff-Heydesche Autokartograph. Z. f. Feinmechanik. 1922, Heft 4—9. Hier findet sich zudem eine
ausgiebige Literaturangabe.
3 Vgl. dazu, was Christ, v. Steeb über den „Maßstab der Kriegskarte“ i. d. Mitt. des k. k. mil.-
geogr. Instituts. Wien 1901, S. 128 — 139, sagt. Wieviele Anschauungen sind da durch den letzten
Krieg überholt worden.