Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die See- und Meerkarte. 
angegebenen Ursache seine Erklärung findet, ebenso in einer andern Ursache, für 
die H. Wagner Argumente beizubringen versuchte 1 (s. auch S. 13,52). 
Was nun die Verwendung der Bumbenkarten anlangt, glaube ich, daß sie zu 
nächst keinen großen Benutzerkreis hatten. Selten oder überhaupt nicht wird man 
sie mit auf See genommen haben. Sie waren zu kostbar. Ihre Farbenpracht und 
saubere Zeichnung dürfte sich beim Aussetzen der feuchten Seeluft kaum erhalten 
haben, selbst wenn man sie noch so sehr hütete. Gewiß wird man für einzelne See 
becken handliche Karten zur Übersicht gehabt haben, aber nicht die mühselig und 
kostspielig hergestellten Übersichtskarten des gesamten Mittelmeers. Diese Art Karten 
blieb im Hafen zur allgemeinen wie besondern Orientierung (Ortung). Mit ihr läßt 
sich heute bezüglich des Gebrauchs etwa die „Kontorkarte“ vergleichen. Weil die 
Bumbenkarten hohe Kunstwerke repräsentierten, waren sie zugleich wertvolle Präsente 
für hohe Personen und Fürstlichkeiten. Auf ihren Besitz wurde großer Wert gelegt. 
Daß man sie hin und wieder einmal auf hoher See mitführte, scheint nicht ausgeschlossen, 
doch war ihre ständige Benutzung erst gesichert, als die Buchdruckerkunst sich des 
Seekartendrucks bemächtigte, was in ausgedehntem Maße vom 16. Jahrhundert ab 
geschah. 1 2 Erst dadurch wurde mählich das große Bedürfnis nach Seekarten befriedigt, 
das entstanden war, als die Schiffahrt (die große Fahrt für damalige Zeit) die Schranken 
des Mittelmeers durchbrochen hatte. Daß man aber das Bumbensystem selbst für 
extramediterrane Meeresgebiete jahrhundertelang noch beibehielt, sogar auf den 
spätem holländischen, deutschen und englischen Seekarten, ist zweifellos ein Beweis 
dafür, wie beliebt die Bumben zu Kurs- und Distanzbestimmungen waren. Damit 
richtet sich von selbst der Ausspruch 0. Pescheis, daß die Bumbenkarten des wissen 
schaftlichen Wertes bar seien. 3 Daß man auf vielen Karten die Bumben überflüssiger 
weise auf innere Landgebiete ausdehnte, wo sie nur indirekten Wert hatten (zum 
Anlegen der Parallelen bei der Kursbestimmung), sei nebenbei bemerkt. Das kann 
selbstverständlich ebensowenig ein Grund sein, den wissenschaftlichen wie prak 
tischen Wert des Bumbensystems zu negieren. 
Viel Kopfzerbrechen hat in Gelehrtenkreis-en die Frage verursacht: Sind die 
Bumbenkarten in irgendeiner Projektion entworfen? Nach meinen Untersuchungen 
muß ich die schlichte Antwort geben: Den Bumbenkarten liegt keine Projektion zu 
grunde (s. S. 4— 6). Ich stimme hier wieder ganz mit Nordenskiöld überein, der allerdings 
seine Ansicht etwas einengt mit den Worten: „The typical portolans are projection- 
less maps.“ 4 Alle Versuche, ihnen nachträglich ein Kartennetz aufzuoktroyieren, 
sind immer wieder gescheitert. 5 0. Peschei schrieb in seiner Erdkunde: „Nicht bloß 
äußerlich fehlt den alten Seekarten jede Projektion, sondern sie verstatten auch keine 
Versuche, sie nachträglich mit einem Gradnetz zu versehen, es sei denn ein walzen 
förmiges.“ 6 Hätte er den letzten Satz, wo er auf eine walzenförmige Projektion an 
spielt, weggelassen, könnte man ihm ohne weiteres beipflichten. Aber über diese 
1 H. Wagner: Das Rätsel der Kompaßkarten im Lichte der Geamtentwicklung der See 
karten. Verh. d. XI. Deutsch. Geogr.-Tages zu Bremen 1895. Berlin 1896, S. 76. 
2 Die erste typische Rumbenkarte wurde 1489 von Albinus de Canepa in Genua gedruckt 
3 O. Peschei, a. a. O., S. 215. 
4 A. E. v. Nordenskiöld: Periplus, S. 16, 
5 Den mißlungenen, hier nicht weiter beachtenswerten Versuch von J. Lelewel hat E. Steger 
bereits zurückgewiesen, a. a. O., S. 3—6. 
6 0. Peschei, a. a. O., S. 216.
	        
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