Bedeutung der Kriegskartogr. im Entwicklungsgang des Vermessungswesens u. der Kartogr. 807
Den parlamentarischen Dokumenten von 5. Sept. 1920 entnehme ich, daß die
Franzosen während 5 Kriegsjahren mehr als 20 Millionen Generalstabskarten, teils
im Maßstabe 1:80000, teils in 1:200000 (alter Typus von 1912) gedruckt haben.
Dazu gesellen sich rund 20 Millionen Plan-directeurs in 1:20000, ohne die hei den
Armeen gemachten Abzüge mitgerechnet.
Winterbotham teilt mit, daß in Southampton insgesamt 82 Millionen Karten
hergestellt worden sind, was er als eine ,,wundervolle Höchstleistung“ anerkennt. 1
Die Anzahl der Karten, die Italien während der Kriegsoperationen anfertigte, um
faßte gegen 20 Millionen. 2
VI. Die Bedeutung der Kriegskartographie im Entwicklungsgang
des Vermessungswesens und der Kartographie.
333. Die Vermessungstruppe. Zu dem Aus- und Aufbau einer besondern Kriegs-
kartögraphie ist der erste Schritt von Deutschen und Franzosen getan worden. In
folge des kleinern und leichter zu vermessenden Kampfgebietes hatten die Franzosen
und Engländer es wesentlich leichter als die Deutschen, das Kriegsvermessungswesen
von Anfang an einheitlicher zu organisieren. „Das deutsche Kriegsvermessungs
wesen war ein Kriegskind mit manchen Schwächen, aber auch mit allen Vorzügen
der Improvisation. Es brauchte nichts abzustreifen, sondern nur neu zu schaffen.“ 3
Vielleicht wäre anfangs auch auf deutscher Seite die Organisation einheitlicher ge
wesen, wenn nicht zu Beginn des Krieges die Landesaufnahme fast aufgelöst und die
meisten Beamten und Offiziere in die Formationen, in denen sie im Frieden gedient,
eingereiht worden wären. Was da zunächst versäumt war, wurde bald nachgeholt;
aber auch die Trigonometer, Topographen, Lithographen und die im Landaufnehmen
ausgebildeten Offiziere konnten hei der Bildung von Vermessungsabteilungen den
Bedarf an Vermessungstruppen nicht decken, wenn nicht in Deutschland die zahl
reichen, vorzüglich ausgebildeten Landmesser, ferner die vielen Vermessungs-Tech
niker, die ausgezeichneten Steindrucker privater Anstalten vorhanden gewesen wären,
die aus der Truppe herausgezogen werden konnten. Der Kriegsvermessungschef
schreibt selbst, daß in den Vermessungsabteilungen die Angehörigen der bürgerlichen
Fachberufe überwogen. „Alle gaben ihr Bestes her und paßten das für ganz andere
Zwecke Erlernte dem neuartigen Kriegsdienste an.“ 4
Ohne unsere geodätisch vorgebildeten Landmesser wäre das Kriegsvennessungs-
wesen offenbar nicht in die Höhe gekommen, die es während des Kiieges erreicht hat.
Der Kriegsvermessungschef gibt es selbst zu in einem Schreiben an den Chef der
Landesaufnahme 5 , die während des Krieges wieder eingerichtet worden war, daß
das Kriegsvermessungswesen ohne Personen mit vertiefter mathematisch-geodätischer
1 Vgl. auch „Amtl. Kartenherstellung während des Krieges in England u. Deutschland.“
Nach Bericht des Obersten Charles Close.
2 La cartografica ufficiale in Italia e lTstituto Geografico Militare. Hg. von Attilio Mori
i. A. von Nicola Vacchelli. Rom-Florenz 1022. S. 409.
3 S. Boelcke: Kriegserfahrungen im artillerist. Vermessungs- u. Kartenwesen. In der Z.
„Der Schweizer Artillerist. Zürich 1923. S. 78.
1 S. Boelcke, a. a. O.. S. 78.
5 Schreiben vom 4. April 1018. Generalstab des Feldheeres. Chef des Kriegsvermessungs-
J. Nr. 819. Pers. Betrifft wissenschaftlich vorgebildete Trigonometer.
wesens.