Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Bedeutung der Kriegskartogr. im Entwicklungsgang des Vermessungswesens u. der Kartogr. 809 
entwickelt. Dazu war es an eine zu kleine Frontstrecke gebunden, wo das ureinhei- 
mische Vermessungs- und Kartenmaterial in ausgiebigster Weise herangezogen werden 
konnte. Die Engländer hatten rund 150 km, die Franzosen etwa 600 km und die 
Deutschen über 8000 km Frontstrecke besetzt, also 5 mal mehr als die Franzosen 
und 20 mal mehr als die Engländer. An diesen Zahlen wie an der Tatsache, daß die 
Deutschen gutes Kartenmaterial fast überall von Grund auf neu schaffen mußten, 
darf nicht achtlos vorübergegangen werden, wenn man über die Leistungen des Kriegs 
vermessungswesens der kriegführenden Mächte ein abschließendes und gerechtes 
Urteil gewinnen will. Zuletzt sei noch daran erinnert, daß die Gegner auf französischem 
Loden von amerikanischen und italienischen Vermessungstrupps unterstützt wurden. 
Rasch breitete sich das deutsche Kriegsvermessungswesen nicht bloß im Westen aus, 
sondern auch in den russischen Steppen, in den unwirtlichen Gebieten der Karpathen, 
in dem sonnendurchglühten Mazedonien, in den rumänischen Ebenen, am Isonzo 
und in Palästina. Im Anfang kaum gekannt und wenig beachtet, hatte es sich schritt 
weise seinen Platz im Heere erobert durch die ernste Pflichttreue aller seiner Glieder 
und den handgreiflichen Nutzen, den es überall schaffte. 
834. Einfluß auf das Kartenwesen. 1 Infolge der kleinern Kampfgebiete konnten, 
wie bereits angedeutet, Engländer und Franzosen ihren Karten von vornherein ein 
vollkommen einheitliches Gepräge geben, das bei den Engländern mit dem kleinsten 
Frontabschnitt am meisten in die Augen springt. Das war kein Kunststück, und 
der klare, saubere und ästhetisch befriedigende Druck ihrer Kartenwerke von 1917 
und 1918 hat sie so berauscht, daß sie sich einbildeten, das Beste in der Kriegskarto 
graphie geschaffen zu haben. Dabei haben sie die prächtigen Farbenschicht karten 
in 1:25000 verschiedener deutscher Vermessungsabteilungen und viele andere 
ausgezeichnete deutsche Kartenwerke nicht kennen gelernt. In der Menge und der 
Vielfältigkeit des Kriegskartenmaterials können sich die Gegner nicht mit uns messen. 2 
Die Kriegskartographie und das Kriegsvermessungswesen haben die mannig 
faltigsten Kräfte in Bewegung gesetzt, vereinheitlicht und zu beschäftigen gewußt. 
Die Vermessungskundigen, die im Frieden nebeneinander ein Sonderdasein fristeten, 
wurden zusammengeschart, um einheitliche Arbeit zu leisten. Die aus dieser Ge 
meinsamkeit gemachte gute Erfahrung kommt hoffentlich dem gesamten deutschen 
Vermessungs wesen zugute. Wie viele Doppelarbeit würde vermieden, wie viel Zeit 
und Geld erspart, wenn das gesamte Vermessungswesen eines Landes mehr wie bisher 
zentralisiert wäre. In einer Zentrale müßten alle geodätischen, trigonometrischen 
und topographischen Aufnahmen, alle wissenschaftlichen wie praktischen Vermes 
sungsaufgaben zusammengefaßt, vor allem an die Aufnahme und Herausgabe einer 
topome frischen oder topographischen Grund karte in 1:5000 herangeschritten 
werden; denn daß mit dem Maßstab 1:25000 nicht mehr in kriegstechnischer wie 
kulturtechnischer und wissenschaftlicher Hinsicht auszukommen ist, hat gerade der 
Krieg gelehrt. So könnte das Vermessungswesen die beste Grundlage für die ver 
schiedensten Zwecke schaffen; dazu muß es aber einheitlich staatlich organisiert und 
1 Hierbei sei verwiesen auf S. Boelcke: Fortschritte im Kartenwesen. Z.: Technik u. Wehr 
macht. XXIV. Berlin 1921, 8.221-226. 
2 Leider ist sehr viel verloren gegangen und weniges erhalten. Vgl. dazu Eug. Ober- 
hummer: Die Kriegsaufnahme von Albanien. P. M. 1923, 8. 116, 117. T. 12.
	        
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