Bedeutung dev Kriegskartogr. im Entwicklungsgang des Vermessungswesens u. der Kartogr. 811
die Erfahrungen des Kriegsvermessungswesens neue Aufgaben zugewachsen sind,
desgleichen neue Aufnahmemethoden durch die Fliegeraufnahme und verbesserte
stereophotogrammetrische Aufnahmen und Auswertemethoden. Ganz hervorragende
Leistungen und Untersuchungen sind die Folge von der Förderung der Topographie
durch die Fliegeraufnahmen geworden. 1 Auf die wichtigsten habe ich im Laufe
meiner Forschungen genügend aufmerksam gemacht; neben den praktischen Auf
gaben 2 wurden insbesondere theoretische gefördert. 3
Damit sind weiterhin die für optische Industrie und den Instrumentenbau
neue Arbeitsmöglichkeiten geschaffen worden; denn der Bau der neuen photogra
phischen Kammern, Vermessungs- und Auswerteapparate hält zahlreiche Arbeits
kräfte gefangen.
335. Einfluß auf die geographische Bildung und Wissenschaft. (Schlußwort.)
Durch die Kriegskartographie hat aber auch jeder Einzelne direkt Nutzen gehabt.
Die Begebenheiten der weit auseinanderliegenden Kriegsschauplätze ließ die ver
schiedensten Karten zur Hand nehmen und studieren. Das Kartenlesen wurde in
wenigen Monden oft mehr gefördert als in langjähriger Schulzeit. Das war auf deutscher
wie auf außerdeutscher Seite der Fall, auf dieser war es noch schlimmer bestellt als
auf jener. Die Franzosen mußten bei ihren Soldaten mit den einfachsten Erklärungen
und Einführungen nachhelfen. 4
Welche Not hatte man im Anfang des Krieges mit der Einführung in das Karten
verständnis, selbst bei Gebildeten. Das hatte sich im Laufe des Krieges auffallend
gebessert, eine erfreuliche Erscheinung, die hoffentlich nicht vorübergehender Natur
ist. Der Sinn für die kleinsten Landschaftsformen wurde geweckt, auf die Eigenait
der Ansiedlung geachtet, die Zusammensetzung des Bodens studiert und wirtschafts
geographischen Tatsachen nachgegangen. 5
Der Pulsschlag der Geographie wurde durch die Kriegskartographie kräftiger
angeregt. 6 Während sich die ältere deutsche Geographenwelt mehr mit theoretischen
Untersuchungen über die Kriegsschauplätze beschäftigte, hat die jüngere dagegen
eine Reihe mehr oder minder wertvoller Beiträge zur Heimatkunde der einzelnen
Kriegslandschaften gegeben. In jeder deutschen geographischen Zeitschrift begegnen
uns diese hierher gehörigen Mitteilungen und Abhandlungen. Ferner haben Geologie,
1 Unter vielen andern vgl. Hptm. a. D. Krahmer: Luftbildskizzen u. automatische Luftbild
messung. Motor. Nov./Dez. 1921, S. 173 — 176. — Ein Aufsatz über d. Kartenherstellung auf Grund
von Luftphotographien bringt auch The Royal Engineers Journal 1923.
2 Vgl. u. a. R. Hundt: Glazialgeologie u. Fliegerphotographie. P. M. 1920, S. 271, 272.
E. Ewald: Die Raumbildaufnahme im Flugzeug und ihre Bedeutung f. d. Geogr. P. M. 1922, S. 148
bis 150. — Lückenhaft, trotzdem lesenswert ist Ewalds Schriftchen: Das Luftbild im Unterricht.
Breslau 1923.
3 Unter ihnen sei genannt Ernst Rudel: Darstellung eines nahezu ebenen Geländes nach
Fliegeraufnahmen bei spärlich vorhandenen Festpunkten. Sitz.-B. der Bayer. Akad. der Wiss. Math.-
phys. Kl. München 1921. Bemerkungen und Ergänzungen zu der vorstehenden Abhandlung von
S. Finsterwalder.
4 Vgl. u. P. Maisons: Eléments de topographie militaire à l’usage des sousofficiers d'artillerie.
Paris 1917.
0 Hierbei bes. zu nennen E. Fels: Das Kriegsvermessungswesen im Dienste der Geographie.
P. M. 1919, S. 81-89.
6 Selbst derartige Arbeiten sind gezeitigt worden, wie von G. Wüst: Geogr. u. Funkentele
graphie. Deutsche Allg. Z. 1921, Nr. 167 B. 9 vom 11. April 1921. Abend-Ausg.