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BAUERNHATUS.
achtet und verhoéhnt, in den Wohnungen
unserer Bauern erblitht ist, seine Aufmerk-
samkeit zu wenden begonnen. Dass dort
Andeutungen auszufithren, Ansfitze zu ver-
folgen, Anweisungen zur Beachtung vor-
handen sind, ist eben so gewiss, als dass
alles einen unberechenbaren Werth dadurch
erhilt, dass es vollstindig einheimisch ist.
Die Uebergangszeit,” von der wir spra-
chen, war ein Ausdruck des fortwihrend
steigenden Wohlstandes und des Vorrtickens
der Bildung in die tiefen Glieder der
Majoritit. Jetzt ist der Beginn einer drit-
ten Periode nahe. Fast iberall kann man
in den Hausgerithen, die jetzt hinzukom-
men, die Hand des kundigen Zubereiters
erkennen — oft befindet man, dass es der
in der Gewerbeschule ausgebildete, in die
Heimath zuriickgekehrte Handwerker ist —
man findet weniger Prunck und grossere
Beachtung der Form.
Die Stube — um noch einmal dort ein-
zutreten — behilt gleichwohl immerwih-
rend ihre alte Eigenschaft bei, das Wohn-
zimmer einer wohlhabenden, das Land be-
bauenden Familie zu sein. Dieses Geprige
verbleibt trotz der Klagen iiber einen ver-
meinten Luxus; trotz dessen, dass weisse
Gardinen das Licht mildern und Rollgar-
dinen dasselbe ganz ausschliessen; dass ein
Spiegel an der Wand hingt; dass die Be-
leuchtung von dem Feuer in dem Kamine
grosstentheils von der billigeren Lampe er-
setzt wird, und dass die Olfarbe an den
Mébeln mit einem Aunstrich von Firniss itber-
zogen oder von der Politur ersetzt ist. Mag
man aber meinen, dass der von dem Acker
oder dem Walde heimkehrendé, von der
Arbeit beschmutzte oder von dem Regen
durchniisste Bauer sich nicht mit gleichem
Wohlbehagen in seinem groben mit Nigeln
beschlagenen Schuhzeug u. s. w. unter die-
sen Hausgerithen bewegt, weil es grissere
Behutsamkeit fordert, als das frithere, so
ist das keinesweges der Fall: der Bauer
hat andere Sitten angenommen als seine
Vorviiter.
Wir haben uns am meisten in dem Zim-
mer aufgehalten, in welchem die Familie
vorzugsweise weilt; wir miissen auch einen
Blick in die iibrigen Rdume werfen. Die
zweckmissigen Hausgerithe in der Kiiche
bestehen in einem umangestrichenen, aber
weiss gescheuertem Tische, — oder zwei
solchen — sowie, in einem Kammbrett fir
Kiichen- und andere Geschirre. Man er-
staunt iiber die Menge der kupfernen Ge-
schirre Kessel, Kasserolen, Milch- und
andere Niipfe, Wasser- und andere Flaschen,
und diese so kolossal, dass eine Tonne Platz
darin hat — welche oft nebst Sachen von
Zinn in den alten Bauernhiusern angetroffen
werden. Sie sind Ueberbleibsel von der
Zeit, da man noch nicht die Zwischenhinde
von Spar- und andern Banken hatte, de-
nen man die Verwaltung seiner Ersparnisse
iiberlassen konnte, sondern genéthigt war
diese selbst zu verwahren oder in der Hei-
math auszuleihen, oder auch sie in Arti-
keln von einem bestehenden Werthe anzu-
legen, welche iiberdies passend waren zur
Mitgift an einen kiinftigen Schwiegersohn.
Davon verschrieb sich auch der oben er-
wihnte Ueberfluss ven Silber (grosse Kan-
nen und Pokale u. s. w.), von denen man
bei grossen Gastméihlern iiberrascht wird,
und ohne welche dergleichen Feste sowie
Kindtaufen und Begribnisse nie gefeiert wer-
den konnen. Was die Kiiche ferner be-
trifft, so kann angezeichnet werden, dass
die fritheren irdenen Geschirre, Teller und
Schiisseln, jetzt angefangen haben von dem
stirkeren Porcellan ersetzt zu werden.
Die Kammer hat weniger Interesse.
Hier scheint die Modernisirung zuerst Ein-
gang gefunden zu haben, wihrend die
"Stube” derselben an lingsten verschlossen
blieb. Die Lumpenpracht, welche den An-
blick dieses Zimmers frither bisweilen lu- "
stig genug machte, ist einer grosseren So-
liditiit gewichen: so 'z B. sieht man nicht
mehr das ausgeschnittene Papier, welches
tardinenhalter vorstellen sollte, eben so
wenig den Kronleuchter von einem Ton-
nenreifen, umwickelt mit farbigem Papier
und an Schniiren von der Decke herabhan-
gend. Noch sitzen an der Wand, gewdhn-
lich unter Glas und Rahmen, die eigen-
thitmlichen Gratulationen: Papier mit Blu-
menguirlanden oder kunstreichen Aus-
schnitzelungen, in-deren Mitte zierlich der
Gliickwunsch (in gebundener Rede) an die
junge Tochter oder den Sohn des Hauses
zu einem Geburts- oder Namenstage sau-
ber geschrieben ist. Hier findet man auch
eine ganze Menge von diesen Kleinigkei-
ten, mit denen das Weib gerne die Woh-
nung ziert: gewirkte Tischtiicher und ge-
strickte Decken, bisweilen gekauft, eben so
oft aber von den Téchtern des Hauses an-
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