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Nun ist allerdings der Ingenieur in dieser Wahl oft vielfach be
hindert, indem das öffentliche Interesse in der Frage über die
Führung einer neuen Eisenbahnlinie einen wesentlich verschiedenen
Standpunkt einnimmt und mitunter Lösungen erfordert, die von
den Anschauungen des Eisenbahntechnikers oft stark abweichen.
Die Bestimmung darüber, ob die Verbindung der zwei gegebe
nen Endpunkten einer zu tracierenden Bahnlinie in gerader Rich
tung oder unter Berührung verschiedenen vielleicht politisch oder
kommerziell wichtiger Zwischenpunkte erfolgen soll, ob ferner der
Uebergang über einen zu übersetzenden Strom vielleicht aus strategi
schen Gründen nicht an einem gewissen von vornherein gegebenen
Punkte zu bewerkstelligen ist, ob beispielsweise die Anlage des
Stationsplatzes in der Nähe einer Stadt aus öffentlichen Rücksich
ten an einem ins Auge gefassten Punkte nicht etwa unzulässig wäre,
und vielfache andere Erwägungen ähnlicher Art sind es, die in
der Regel die Hauptrichtung einer neuen Eisenbahnlinie, sowie ihre
Hauptberührungspunkte vorschreiben, ohne dass dem Techniker da
bei ein massgebender Einfluss gestattet wäre, und so beginnt dann
die Aufgabe des tracierenden Ingenieurs eigentlich erst dann, wenn
er beauftragt wird, zwischen zwei gegebenen Endpunkten in einer
allgemein bestimmten Richtung und eventuell unter Berührung ver
schiedener Zwischenpunkte diejenige Linie ausfindig zu machen,
die für den Bau und Betrieb einer Bahn die geeignetste ist.
Unter den verschiedenen möglichen Lösungen dieser Aufgabe
wird nach dem Obengesagten diejenige als die gelungenste bezeich
net werden müssen, bei welcher der von den Zinsen des aufzuwen
denden Baukapitals auf jede voraussichtlich zu verfrachtende Kilo
metertonne entfallende Anteil, zu den nachmaligen pro Kilometer
tonne mit Rücksicht auf die projektierten Steigungsverhältnisse
notwendigen Betriebsauslagen addiert, sich am niedersten her
ausstellt.
Aus dieser Darstellung ergibt sich aber auch die Notwendig
keit für den tracierenden Ingenieur sich ein annäherungsweises rich
tiges Urteil über die voraussichtlichen Baukosten einer Linie, sowie
über die wahrscheinlichen Betriebskosten auf derselben bilden zu
können. — Die Wahl der Krümmungshalbmesser, sowie der Stei
gungsverhältnisse sind in beiden Hinsichten von entscheidendem
Einfluss, während die Form des Bahnkörpers, sowie die für dessen
Herstellung notwendige Ausführung von besonderen Bauwerken, wie
Tunnels, Viadukten, Brücken u. dergl., namentlich in bauökonomi
scher Richtung besonders in Erwägung zu ziehen sind.
Es ergibt sich aus dem Gesagten aber auch, dass das Tracie-
ren einer Bahnlinie eine aus den verschiedensten Gesichtspunkten
zu machende Prüfung, Untersuchung und Beurteilung des Terrains,
welches die Bahn durchziehen soll, notwendig macht, und dass
hierfür nicht, wie zu den hierbei vorkommenden Hilfsoperationen
eine theoretische Anleitung allein genügt, um jene Befähigung zu
erreichen, welche das Zustandekommen eines zufriedenstellenden
Resultates sicherstellt.