Full text: Anleitung zum Tracieren von Eisenbahnlinien für angehende Ingenieure

9 
2) Bahnen mit mittlerem Verkehr, die sich entweder von Bah 
nen ersten Ranges abzweigen, oder zwei oder mehrere Hauptver 
kehrsadern des Landes, sowie Handelsplätze zweiten Ranges mit 
einander verbinden. Hier gebietet das Interesse der den Bahnbau 
betreibenden Unternehmung schon eine gewisse Oekonomie in den 
ersten Anlagekosten, und wird bei solchen Bahnen der Unterbau 
(Bahnkörper) fast immer nur für ein Geleise hergestellt, dagegen 
die im Vergleiche zu der übrigen Bahnherstellung minder kostspie 
lige Grundeinlösung sogleich für zwei Geleise durchgeführt, ein 
Vorgang der sich schon deshalb empfiehlt, weil erfahrungsgemäss 
durch die Anlage einer Bahn der Wert der benachbarten Grund 
stücke in der Regel um 50 bis 100 Prozent, häufig sogar in noch 
grösserem Masse steigt und somit bei allfälliger späterer Herstel 
lung des zweiten Geleises die Kosten für die Einlösung des hierzu 
notwendigen Terrains in ganz unnötiger Weise vermehrt würden. 
Dies gilt namentlich in jenen Läudern, wo, wie z. B. in Frank 
reich, den bereits im Betriebe befindlichen Bahnen das Expropriations 
recht für spätere Einlösungen gesetzlich nicht mehr zusteht. Es 
braucht auch kaum besonders erwähnt zu werden, dass in den mei 
sten Fällen der Verlust an Zinsen für das zu früh eingelöste Ter 
rain durch Verbauung oder Verpachtung dieser Grundstücke nam 
haft herabgemindert werden kann. 
3) Bahnen mit voraussichtlich schwachem Verkehr, die io 
schlecht bevölkerten Gegenden oft nur aus politischen oder strate 
gischen Gründen oder mit spezieller Rücksicht auf bestehende Werks 
oder Fabriksaulagen erbaut werden, und bei welchen sich der In 
genieur die strengste Oekonomie sowohl in der Tracierung wie in 
der Bauausführung zur Pflicht machen muss. Es ist selbstver 
ständlich, dass bei solchen Linien sogar die Grundeinlösung auf 
das für ein Geleise notwendigste Mass wird beschränkt werden 
müssen. 
Ausser der Anzahl der Geleise ist jedoch noch die Entfernung 
der zwei parallelen Schienenstränge eines Geleises — die Ge 
leisweite, Spurweite der Bahn — massgebend für die Be 
stimmung der Kronenbreite des Bahnkörpers. 
Bei fast allen in Europa ausgeführten und bei einem grossen 
Teil der in anderen Weltteilen erbauten Bahnen ist diese Spurweite 
eine gleiche und beträgt, von Schienenmitte zu Schienenmitte ge 
messen, 1,50 m (normale Spurweite*). Der inuige Verband, 
*) Obgleich die erwähnte Spurweite von 1,50 m mit der ersten 
Stephensonschen Maschine (1814) von den Engländern eingeführt und 
von den ausserenglischen Bahnen, die durch den Bezug der Lokomotive in 
ein Abhängigkeitsverhältnis zu England kamen, adoptiert wurde, so 
waren es doch die Engländer, die zuerst die von ihnen eingeführte Spur 
weite zu vergrössern suchten; so entstanden die schottischen Bahnen mit 
1,68 m, die irländischen mit 1,80 m, die Greatwesternbahn mit 2,13 m Spur 
weite; später kamen die russischen Bahnen mit 1,83 m, die holländischen 
mit 1,93 m und endlich auch einige deutsche (badeusische) schweizerische 
und spanische Bahnen mit grösserer Spurweite dazu, doch haben viele da 
von, namentlich diejenigen, welche an dem allgemeinen europäischen Eisen 
bahnverkehr teilzunehmeu hatten, wie die badensischen und holländischen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.