568 Von den Schallwellen.
um die exakte Mechanik erworben hatte. Ganz im Geiste der Galileischen
Forschung unternahm Mersenne die Untersuchung der Schwingungsgesetze
gespannter Saiten, deren Resultate er im Jahre 1636 in einem Werke ver-
öffentlichte, welches den Titel: Harmonicorum libri XLI führt.
Mersenne stellte zuerst den Satz auf, daß die Tonhöhe nur von der
Schwingungsdauer des tönenden Körpers oder, was dasselbe ist,
von seiner Schwingungszahl, d. h. von der Anzahl der Schwin-
gungen abhänge, welche er ineiner gegebenen Zeit, etwa in einer
Sekunde, ausführt.
Die Töne sind um so höher, je größer ihre Schwingungszahl
oder je kleiner ihre Schwingungsdauer ist.
Welches die Schwingungszahl der verschiedenen Töne ist und wie man
dieselbe ermitteln kann, wird weiter unten besprochen werden.
Die Stärke oder Intensität des Tones hängt von der Amplitude, d.i.
der Schwingungsweite der Schwingungen ab, welche der tönende Körper macht;
und zwar ist die Stärke des Tones dem Quadrat der Amplitude
proportional.
Unter Klangfarbe oder Klangeharakter versteht man die Eigen-
tümlichkeiten, durch welche man bei gleicher Tonhöhe und gleicher Stärke
den Ton verschiedener Instrumente unterscheiden kann. So hat z. B. der-
selbe Ton einen ganz anderen Charakter, je nachdem er von einer Violine
oder von einer Klarinette oder von einer Trompete herrührt.
Das Wesen der Klangfarbe ist vorzugsweise durch die Untersuchungen
von Helmholtz ermittelt worden; wir werden darauf später zurückkommen.
$ 202. Geschwindigkeit des Schalles inLuft. Alle Töne, welches
auch ihre Höhe, ihrelntensität und ihreKlangfarbe sein mag, ver-
breiten sich in der Luft sehr nahe mit gleicher Geschwindigkeit;
denn wenn an einer bestimmten Stelle ein Konzert aufgeführt und von ver-
schiedenen Beobachtern in verschiedenen Entfernungen angehört wird, so
hören sie denselben Takt, dieselbe Harmonie. Wenn etwa die tiefen Töne
den hohen merklich voraneilten oder umgekehrt, so würde bald aller Takt
aufhören, und was in einer Entfernung von 10 Schritten eine Harmonie ist,
würde in einer Entfernung von 100 Schritten die unerträglichste Kako-
phonie sein.
Mersenne bestimmte die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles
in der Luft zu 1378, die Florentiner Akademiker bestimmten sie im Jahre
1660 zu 1111 Pariser Fuß. Seitdem sind zu gleichem Zwecke viele Ver-
suche angestellt worden, deren Resultate man im fünften Bande von Poggen-
dorffs Annalen, S. 476 zusammengestellt findet. Hier wollen wir die Ver-
suche besprechen, welche im Jahre 1822 in der Nähe von Paris zwischen
den Orten Villejuif und Montlhöry von Prony, Arago, Mathieu, Hum-
boldt, Gay-Lussac und Bouvard angestellt wurden. An beiden Orten
waren Zwölfpfünder aufgestellt, welche während der Nacht abwechselnd in
Zwischenzeiten von fünf Minuten abgefeuert wurden. Auf diese Weise konnte
der Einfluß der Windrichtung eliminiert werden, da man annehmen durfte,
daß derselbe die Schallbewegung nach der einen Richtung ebensoviel be-
günstigte als die nach der entgegengesetzten hemmte.