I. Beschreibung des Theodoliten nach der neuesten Construction
und dessen Anwendung.
Seit Herausgabe der vorliegenden Tafeln hat die Construction
der bei Katasteraufnahmen im Grossherzogthum Hessen, und seit
dem in mehreren andern deutschen Staaten gebräuchlichen Theo
doliten zwar im Wesentlichen keine Veränderungen erlitten, dagegen
aber sind daran doch manche Verbesserungen angebracht worden,
welche dessen Gebrauch bequemer und zuverlässiger machen; er
ist jetzt zu einem Instrumente geworden, das bei grossem Ver
messungen nicht mehr zu entbehren ist und jedes andere Mess
instrument bei weitem übertrifft. Wir halten daher für zweck
dienlich, dieser Ausgabe eine neue Beschreibung des Theodoliten
beizufügen, wie er jetzt von dem sehr geschickten Hof-Mecha-
nikus Siener in Darmstadt gefertigt wird.
In der ersten Ausgabe haben wir noch die Abbildung eines
Säulentheodoliten gegeben, während dieser jetzt veraltet ist und
dem auf Tafel I. abgebildeten Platz gemacht hat, bei welchem
das Fernrohr in der Mitte auf zwei Trägern ruht und zwischen
denselben eine Dosenlibelle auf dem Alhidaden-Kreis angebracht
ist, statt der früher seitwärts unter dem Fernrohr befindlichen
Cylinderlibelle. Jene Einrichtung ist aber von wesentlichem Vor
theil beim Horizontalstellen des Instruments, da hierdurch bei jeder
Station zur Aufstellung wenigstens die Hälfte der Zeit erspart
wird; ein Vortheil, den der praktische Geometer sehr in Anschlag
zu bringen hat.
Der Einwand, welchen man vielleicht gegen diese Einrichtung
machen wollte, dass nämlich die Cylinderlibelle grössere Empfind
lichkeit, demnach grössere Genauigkeit biete, dürfte wohl bei der
so vortrefflichen Arbeit des Hof-Mechanikus Siener und gehö
riger Handhabung des Instruments wegfallen.
Die hier folgende Beschreibung bezieht sich sofort ganz auf
die neuesten Instrumente, welche erst vor Kurzem aus der Werk
stätte des erwähnten ausgezeichneten Künstlers hervorgegangen
sind. —
S- 1-
Auf dem dreibeinigen Gestell OP (Taf. I.) ruht das ganze
Instrument, dessen drei Füsse aus den stählernen Schrauben D
bestehen. Zur Schonung der Endspitzen stellt man sie auf die
tellerförmigen Unterlagen abc, die an ihrer oberen Erhöhung
kleine Vertiefungen haben, in welche jene Spitzen genau ein-
passen. —
Der Horizontalkreis AB ist beim Compensations-Theodoliten
unbeweglich, nur innerhalb desselben bewegt sich die Nonien
platte C in derselben Ebene mit den beiden Nonien bei d und e.
G ist die Dosenlibelle, welche auf der beweglichen Nonienplatte
befestigt ist und zum Horizontalstellen des Kreises dient.
Auf den beiden Trägern R bewegt sich das Fernrohr JQ
mittelst der Äxe VW, an welcher der Höhenkreis Z angebracht
ist und sich mit dem Fernrohr gleichzeitig bewegt. Auf der
Aussenseite dieses Höhenkreises befinden sich die beiden Nonien
K und L, welche unbeweglich sind. Die Cylinderlibelle M ist
auf der anderen Seite des Fernrohres angebracht. Neben der
Libelle nach dem Innern gellt senkrecht die Vorrichtung WR
herab, an welcher die Schraube N befindlich ist, die dazu dient,
den Höhenkreis sammt dem Fernrohr sanft zu verschieben.
% 2.
Das Stativ OP, welches als Untergestell des ganzen Instru
ments im Felde dient, muss besonders fest und gut schliessend
gearbeitet und von der Art sein, dass der Mittelpunkt des Theo
dolits genau und leicht über den verlangten Standpunkt gebracht
werden kann.
Die bis jetzt als die zweckmässigst bewährte Einrichtung des
Stativs ist folgende:
OP ist eine runde, 3 Zoll dicke Scheibe von 12- Zoll*)
Durchmesser, welche von festem Holze gut zusammengefügt ist
und in der Mitte ein rundes Loch von 3—4 Zoll Durchmesser
hat. Durch dieses Loch hat der Cylinder F freien Durchgang,
welcher eine federnde geschlitzte Scheibe fgh, die grösser als
dieses Loch (etwa =7" im Durchmesser) ist, unterhalb der
Tischplatte OP trägt, die mittelst einer Flügelschraube angezogen
und hierdurch der Theodolit mit dem Tischchen fest verbunden
werden kann. Sie ist des festeren Standes wegen nothwendig
und dient bei kurzen Entfernungen (wie bei Flur- und Wald
aufnahmen) das ganze Instrument bequem weiter transportiren
zu können, ohne solches erst ein- und auspacken zu müssen.
Die Füsse CD sind oben 3 und unten 2 Zoll breit, und
von oben bis unten l 1 ^ Zoll dick. Sie haben oben einen cylin-
drischen Wulst E von 2 Zoll Durchmesser, welcher um ein Dritt-
theil in die obere Scheibe eingeschlageu ist. Mit Hülfe der Lap
pen FH, welche genau in den Schlitz des Wulstes E passen,
werden Charnihre gebildet, wodurch man die Füsse in die ge-
*) Ein Gr. Hessischer Zoll =11,0824 Pariser Linien, welcher bei
allen hier gegebenen Grössen verstanden wird.