Full text: Vorlesungen über die Natur der Irrationalzahlen

4 Erste Vorlesung 
nähme über p, q widerstreitet, es sei denn q — 1, also x — p 
eine ganze Zahl. 
Hieraus schliessen wir zugleich, dass eine Gleichung 
von der Art wie (5) mit ganzzahligen Coefficienten, 
welche keine ganze Wurzel hat, auch keine rationale 
Wurzel haben kann. 
3. Wenn nun eine gegebene Gleichung dieser Art durch 
keine rationalen Werthe befriedigt wird, so stehen wir vor 
der Wahl, entweder zu erklären, dass sie keine Lösung zu 
lasse, oder ihre Lösung zu ermöglichen, indem wir neue Zahlen 
schaffen und einführen, welche dazu geeignet sind, nämlich die 
irrationalen. Man stösst bekanntlich in der Anwendung 
überall, schon' bei den einfachsten Aufgaben, auf Fälle, welche 
die Zulassung solcher Zahlen gebieterisch fordern. Man denke 
nur an ein rechtwinkliges Dreieck, dessen Katheten gleich 
2 und 3 Längeneinheiten sind, so wird die Länge x der Hypo 
tenuse durch die Gleichung 
a? 2 — 4 —{- 9 = 3L3 
bestimmt; obwohl also die Hypotenuse selbst eine völlig 
bestimmte Grösse ist, kann doch ihr Werth so lange nicht 
angegeben werden, als man sich auf die Betrachtung rationaler 
Zahlen beschränkt. Aber die Anwendbarkeit eines Begriffes 
kann im Grunde nicht als eine ausreichend wissenschaftliche 
Begründung desselben angesehen werden, man muss vielmehr 
zeigen, dass die Definition des Begriffes von einem ganz be 
stimmten, vernünftigen Sinne und so der Begriff in sich selbst 
begründet ist. Und so haben wir also zu fragen: Hat es 
einen Sinn, eine Zahl x durch die Bedingung z. B. zu defi- 
niren, dass x 2 == 13 sei, und welches ist dieser Sinn?*) 
Eine rationale Zahl x giebt es, wie wir wissen, nicht, 
die der Gleichung genügte; zunächst aber giebt es unter den 
ganzen Zahlen zwei, die ihr möglichst nahe genügen, näm 
lich 3 und 4, jene zu klein, diese zu gross, denn ihre Quadrate 
sind 9 und 16; desgleichen unter den einstelligen Decimal- 
brüchen zwei, nämlich 3,6 und 3,7, die möglichst nahe ge- 
*) Vgl. zum Folgenden E. Heine, Die Elemente der Funktionen- 
lehre, im J. f. d. r. u. a. Math. Bd. 74.
	        
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