Definition der Irrationalzahlen.
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Niemand von uns nimmt Anstand, unter demselben eine ganz
bestimmte Zahl zu verstehen, obwohl wir nicht wissen, viel
mehr ernstlich daran zweifeln dürfen, ob sie durch einen ra
tionalen Werth ausdrückbar sein mag; wir haben uns eben
daran gewöhnt, mit solchen unendlichen Brüchen den Sinn
einer bestimmten Zahl zu verknüpfen. Im Grunde ist nun
aber dieser Sinn des Decimalbruches kein anderer als der, der
gemeinsame Grenzwerth für die folgenden zwei gegen ein
ander convergirenden Zahlenreihen zu sein:
0 1
0,1 0,2
0,12 0,13
0,123 0,124
und sonach verbinden wir also aus Gewohnheit mit diesen
beiden Zahlenreihen unbedenklich die Vorstellung einer be
stimmten Zahl als ihres gemeinsamen Grenzwerthes. Nun
betrachten wir irgend zwei gegen einander conver-
girende Zahlenreihen
von denen die erstere die ansteigende, die zweite die absteigende
sein mag, d. h. zwei Reihen, in denen für jeden Werth
des Index i die Bedingungen erfüllt sind:
h > b i+ 1 > a i+ 1 > Oi
und die Differenz bi — mit wachsendem Index un
endlich klein wird. Offenbar wäre es nur eine Verallge
meinerung obiger Auffassung, wenn wir auch von diesen zwei
gegen einander convergirenden Werthreihen aussagten, dass sie
mit einander eine Zahl als ihren gemeinsamen Grenzwerth be
stimmen. Indessen dürfen wir nicht übersehen, dass solche
Auffassung zweierlei in sich schliesst: 1) die Annahme, dass
beide Reihen thatsächlich eine gemeinsame Grenze haben,
d. h. dass etwas existirt, was als gemeinsame Grenze beider
vorgestellt werden kann, und 2). dass dies Existirende als eine
Zahl betrachtet werden darf. Der Strenge der Arithmetik,
welche von allen Theilen der Mathematik als die „reinste“