XI
Zweitens stelle ich dem Gymnasium die Aufgabe, den Schü
ler auch für die Philosophie vorzubereiten. Aus Gründen,
die schon oft dargelegt worden sind, verlange ich aber, daß
das Schulphilosophiren von den Gedanken des Unterrichts
ausgeht und dessen Begriffe untersucht. Jede Disciplin soll
das Ihrige beitragen. Keiner kann die Mitwirkung erlassen
werden; am wenigsten aber der Mathematik, deren Untersu
chungen schon an sich philosophischer Natur sind. Vielleicht
geben meine Vorlesungen hierfür Anregung und Mate
rial. Drittens fordern die Grundbegriffe der Mathematik
sowie ihre allgemeinen Formen immer von Neuem die Unter
suchung heraus. Dabei zeigt sich die nahe Verwandtschaft
von Mathematik und Philosophie. Die mathematische Spe
culation erscheint nur als eine besondere Art der philosophi
schen, und es ist unrecht und schädlich, daß Philosophen und
Mathematiker einander fremd anblicken. Von dieser gegen
seitigen Abstoßung beider Wissenschaften weiß meine Arbeit
nichts, sondern in ihr braucht eine die andere. Wenn daher
meine Vorlesungen dem Mathematiker zu philosophisch und
dem Philosophen zu mathematisch erscheinen sollten, so würde
meine Aufgabe in dieser Beziehung als gelöst angesehen wer
den können.
Die Selbstbewegung des Begriffs halte ich für ein Hirn-
gespinnst. Die Begriffe treiben sich auch nicht selbstständig
in der Welt herum, so daß man ihnen nur aufzupassen und
sie einzufangen brauchte, sondern sie erzeugen sich im Denken
durch die Betrachtung des Gegebenen. Das Gegebene ist aber
ein Inneres mld ein Aeußeres. Richten wir unsere Aufmerk
samkeit ans das letztere, so sind wir in der Naturbetrachtung.