6
Einleitung-,
geben ein genaues Bild von der Tätigkeit und Bedeutung der Agrimensoren,
die bis zur Neuzeit als die Vorbilder der Vermessungsingenieure gedient
haben.
Die wesentlichste und lange Zeit alleinige theoretische Unterlage ihrer
Arbeiten besaßen die Agrimensoren in Herons ,,mpi SiortTpac“. Eine all
gemeine Bandesvermessung mit grundlegender Triangulation, ja sogar die
Kenntnis des Koordinaten rech ne ns war den Römern durchaus fremd. Alle
ihre Aufnahmen waren rein örtlicher Art und bauten sich ausschließlich auf
rechtwinklige Koordinaten auf, derart, daß durch die aufzunehmende oder zu
teilende Feldmark zuerst mit Hilfe des Gnomon eine Nordsüdachse (der cardo =
Pol oder Weltachse) und, möglichst in ihrer Mitte, genau rechtwinklig da
zu die Ostwestlinie oder der decumanus gelegt, und das Band durch Parallele
zu beiden Bmien, also durch Quadrate oder Rechtecke, aufgeteilt wurde. Die
unregelmäßigen Umringsgrenzen der so geteilten Fläche wurden von den Ver
bindungslinien geeignet gelegener Eckpunkte des Rechtecknetzes aus, also
von polygonal angeordneten Hypotenusen, deren Koordinaten unmittelbar
gegeben waren, rechtwinklig aufgemessen.
Eines besonderen Schutzes erfreuten sich die Grenzen, sowohl die
Hoheits- wie die Eigentumsgrenzen, deren Feststellung und Vermarkung unter
besonderen religiösen Gebräuchen und Festlichkeiten geschah, und auf deren
Verletzung durch Verschiebung oder Beseitigung der Grenzsteine schwere
Strafen, ja sogar der Tod standen. Die Grenzmale waren geheiligt und dem
Jupiter terminalis (Grenzgott) geweiht. Als Grenzmale dienten entweder
Bäume (verschonte, d. h. stehengelassene, gezeichnete oder außergewöhnliche
Bäume), Einfriedigungen (lebendige Hecken, Zäune, Wälle und Gräben, Erd-,
Backstein- oder Feldsteinhaufen), vereinzelt auch Wege, in steinarmen Gegen
den Pfähle und endlich Steine, die sich möglichst von den in der Feldmark
von Natur aus vorkommenden Steinen unterscheiden mußten. Hoheitsgrenz
steine wurden durch Säulen, sonstige Ecksteine durch besonders große Steine
gebildet, alle Steine, je nach Bedeutung, mit Inschriften, offenen und geheimen
Zeichen besonders versehen.
Auf die vielgestaltigen Gebräuche bei der Teilung größerer Feldmarken
oder bei der Neuanlage von Kolonien kann hier nicht eingegangen werden.
Die Agrimensoren dienten bei allen diesen Geschäften in drei Eigenschaften:
als Notare, Rentamtmänner und Geometer, und mußten alle darauf bezüglichen
Kenntnisse durch eine Staatsprüfung nachweisen. Ihre wichtigsten Instrumente
waren außer dem Gnomon die Stella oder Groma (Kreuzscheibe), ein
doppeltes Diopterlineal mit zwei rechtwinklig sich schneidenden Armen, an
deren Enden die Himmelsgegenden bezeichnet waren, Fluchtstäbe und
Meßruten.
Das römische Staatsmaß war ursprünglich ein Dezimalsystem, wurde
aber schon unter Servius zum Duodezimalsystem. Die Flächeneinheit (pertica)
war ein Quadrat von 12 zehnfüßigen Ruten. Der römische Normalfuß (pes
monetalis) hatte 16 Zoll. 2 perticae oder 288 scriptula (Quadratruten) bildeten
das jugerum oder den „Morgen", der als Staatsmaß vor Gericht und im
Bager diente.