Full text: Einleitung, Landesvermessung, Kataster (1. Band)

1. Kurzer Abriß der Geschichte des Vermessungswesens. 
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Die Urkarte einer Feldmark, Kolonie oder Stadt wurde in Krz gegraben 
und auf dem Markt, im Schnittpunkt des cardo und des decumanus, öffent 
lich angeschlagen, ihre auf Feinwand gezeichnete Doppelausfertigung im Staats 
archiv aufbewahrt. Dazu gehörten eingehende Verzeichnisse, die ebenfalls 
doppelt angefertigt und sorgfältigst aufbewahrt wurden. 
In Grenzstreiten stand den Agrimensoren das Feldrichteramt zu; ihre 
Entscheidung war ausschlaggebend. 
b) Das Mittelalter. 
Wie die Bedeutung der Römer allgemein mehr auf zivilisatorischem Ge 
biete, namentlich dem der Staatsverfassung, der Heeresorganisation und des 
öffentlichen und privaten Rechtes, als auf kulturellem liegt, so war auch bei 
ihnen die praktische Geometrie oder ihre Technik im öffentlichen Dienste 
mehr geregelt als die wissenschaftliche. Die Wissenschaft kam um so 
mehr ins Hintertreffen, je mehr der römische Staat aus einem politischen zu 
einem kirchlichen wurde. So trat denn — wie schon erwähnt —- nach der 
Blütezeit des weltberühmten Alexandrien in der Pflege der wissenschaft 
lichen Geometrie ein Stillstand ein, der zu einem Rückschritt wurde, sobald 
der lediglich praktisch aufgebaute römische Weltstaat, der den hellenistischen 
Geist verdrängt hatte, von dem mönchisch-asketischen Geiste der neuen Welt 
religion durchdrungen wurde, der mehr als ein Jahrtausend lang die höchste 
Befriedigung darin fand, ,,jeden Gegenstand menschlichen Wissens mit dem 
Sinne der heiligen Schrift in Einklang zu bringen“ (vgl. Weule). 
Was die Geometrie dem ersten Jahrtausend n. Chr. Geburt an Be 
reicherung, wenn auch noch so geringer, verdankt, ist in erster Finie den 
Arabern zuzuschreiben. 
Das geographische Hauptbuch des Claudius Ptolemäus ,,re<oypa<pua) 
'Ty'q'frfnq“ („geographische Anleitung“) und seine „MsyaAY) cuvra^ic;“ „große 
Zusammenstellung“) waren den Arabern die Hauptquellen ihrer geographischen 
und mathematischen Forschungen. Das letztere Werk wurde um 827 n. Chr. 
durch den Kalifen Al-Mamun unter dem Namen „Tabrir al magesthi“ (all 
gemein als „Almagest“ bekannt) ins Arabische übersetzt und später im Auf 
träge Friedrich Barbarossas durch Gerhard von' Cremona (f 1187) ins 
Fateinische übertragen. 
Den Arabern galt die Erde ohne jeden Zweifel als Kugel und Mittel 
punkt der Welt; sie pflegten mit besonderer Vorliebe Astronomie und kannten 
bereits die astronomische Ortsbestimmung, die sie nach neuzeitlichen Prüfungen 
mit einer Genauigkeit von ca. J4 Grad ausführten. 
Willebrord Snellius, mit dem wir uns später beschäftigen werden, 
bringt in seinem 1617 erschienenen Buche „Eratosthenes Batavus, te terrae 
ambitus vera quantitate. Fugduni Batavorum, apud Jodocum a Colster. Ann. 
CIDIDCXVII“. Fib. I, cap. XX: „De Arabum Geodäsia“, S. 107—112 (vgl. 
Z. f. V. 1889, S. 101 ff.), die Beschreibung einer arabischen Gradmessung, 
die über die ganz ungefähren Schätzungen des Eratosthenes, des Posidonius 
(135—51 v. Chr., Alexandrien—Rhodus, vgl. S. 5) u. a. weit hinausgeht.
	        
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