E. Die Kartographie.
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Schließlich führte noch das Bedürfnis nach Darstellung der Ost- und West-
Hemisphären zu den stereographischen Äquatorialprojektionen des
Gemma Frisius (1540).
Die Ausbildung der geographischen Ortsbestimmungen und Vermessungen
im 18. Jahrhundert gab den Anstoß zu wissenschaftlicher Vertiefung in der
Mathematik und damit zu Versuchen nach Verfeinerung in der genauen
Wiedergabe der sphäroidischen Erdgestalt, um die sich namentlich die
Franzosen Delisle (1745) und Bonne („projection du Dépôt de la Guerre",
1803) und ganz besonders der aus dem Elsaß stammende Berliner Mathe
matiker Johann Heinrich Bambert (1728—1777) verdient machten.
Lambert hat als erster die Genauigkeit der verschiedenen Projektionen (1772)
mit Hilfe der höheren Mathematik untersucht und sowohl die flächentreue
Kegelprojektion mit längentreuem Mittelparallel wie die winkel
treue Kegelprojektion mit längentreuem Mittelparallel wissen
schaftlich begründet.
Die letztere ist der Ausgangspunkt für die spätere Gauß’sehe konforme
Projektion geworden, die eine querachsige Merkatorprojektion ist.
In den Jahren 1878 bis 1881 hat der Franzose Tissot die Fehlergrenzen
der einzelnen Kartenprojektionen analytisch untersucht und damit das La mb er t-
Bonne-Gauß’sche Werk vorläufig zu Ende geführt. Denn diese drei müssen
als die Schöpfer der beiden zurzeit in der wissenschaftlichen Erdmessung be
kanntesten und vornehmsten Projektionsarten angesehen werden.
Als die mathematisch vollkommensten Projektionen gelten
nämlich gegenwärtig — besonders bei den Geodäten —-die äquivalente
oder flächentreue (früher auch „kongruente" genannte) Cassini-Soldner-
sche und die winkeltreue („konforme") Lambert-Gauß’sche Projektion.
Erstere hat durch Sanson, Lambert, Bonne ihre allmähliche Ent
wickelung und schließlich ihren Abschluß durch den bayerischen Geodäten
und Astronomen Johann Soldner (1773 bis 1833) gefunden, dessen Koordi
natensystem für die Landesvermessung Bayerns und Württembergs und für
die Katastervermessungen Preußens als Grundlage dient, während die konforme
Projektion ihre endgültige Begründung durch den Meister der deutschen
Mathematik Carl Friedrich Gauß (1822) erhielt.
Die Gauß’sche ebene, konforme Projektion wird von denmodernen Geodäten
für die Abbildung einzelner Länder als die mathematisch und praktisch voll
kommenste angesehen und ist von Generalleutnant Dr. O. Schreiber, dem
früheren Chef der Preußischen Landesaufnahme, für die letztere zweckent
sprechend ausgestaltet worden, wie wir bereits in Abschnitt B gesehen haben.
Sie heißt dort konforme Doppelprojektion, weil die Abbildung erst auf
die Kugel und dann von dort auf die Ebene erfolgt. Wir werden auf ihre
praktische Bedeutung später (Abschnitt „Kataster") noch einmal zurückkommen.
Die Bedeutung der Gauß’schen Projektion ist wesentlich gewachsen, nachdem
Professor Dr. L. Krüger-Potsdam 1912 neue, einfache Rechenformeln ver
öffentlicht hat, die Verfasser praktisch zum ersten Male in größerem Umfange
für Deutsch-Südwestafrika angewandt hat.
Wenn nun auch für die rein geodätische Behandlung die Gauß’sche oder
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