Full text: Einleitung, Landesvermessung, Kataster (1. Band)

1. Kurzer Abriß der Geschichte des Vermessungswesens. 
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wußt und unbewußt manche Verdienste zugeschrieben, die ihm keineswegs zu 
kommen. Wieweit hierzu die auch jetzt noch nicht ausgestorbene Gelehrten 
eitelkeit beigetragen hat, die lieber einem Fremden Verdienste zuspricht als 
dem Bandsmann, mag dahingestellt sein. So ist es z. B. jetzt unzweifelhaft 
erwiesen, daß der Rückwärtseinschnitt nicht von dem (nach Jordan) 
unfähigen Franzosen Pothenot erfunden, sondern bereits von Snellius 
rechnerisch behandelt worden ist, und daß ihn vordem schon Apian und 
Hirschvogel graphisch angewandt haben, ja daß sogar schon Hipparch die 
Aufgabe astronomisch gelöst hat. Auch der Engländer Collins (in Oxford) 
hat schon 1671, also vor der Pothenot’schen Veröffentlichung (1692), eine 
Eösung gegeben. 
Das 17. und 18. Jahrhundert haben außer den bereits angeführten Werken 
zahlreiche Eehrbücher gebracht, die aber in der Hauptsache von reinen 
Theoretikern verfaßt sind, denen die Praxis fremd war. Nur Köbel und der 
viel ältere Augustin Hirschvogel (1543), der aus Nürnberg stammte, haben 
praktische Behren herausgegeben. Dagegen ist des Altdorfer Professors Daniel 
Schmenter schon genannte ,,Geometria practica“ (Nürnberg 1623) ein 
Werk „schulmeisterlicher Breitheit ohne praktische Erfahrung“ (Z. f. V. 1898, 
S. 567). Viel mehr dürften auch W. Abdias Trews Werk „Summa Geo 
metriae practicae“ (Nürnberg 1673) nicht bedeuten und alle die vielen 
geometrischen Veröffentlichungen, die von Regiomontanus an bis zur Mitte 
des 18. Jahrhunderts das Band überflutet haben (Z. f. V. 1899, S. 337). Erst 
Wilke, „Neue und erleichterte Methode, den Inhalt geradliniger Flächen zu 
finden“ (Marburg 1757), stellt einen wesentlichen Fortschritt nach der prak 
tischen Seite hin dar und enthält das umfangreichste und brauchbarste Material 
über „praktische Geometrie“. 
In das moderne geodätisch-wissenschaftliche Fahrwasser kamen aber erst 
Joh. Tob. Mayer mit „Gründlicher und ausführlicher Unterricht zur prak 
tischen Geometrie“ (Göttingen 1779) und sein Göttinger Kollege Kästner 
mit „Geschichte der Künste und Wissenschaften“ (Göttingen 1796—1800), 
insbesondere aber mit „Geometrische Abhandlungen“ (Göttingen 1790). 
Als Maß wurden in der Regel in der gewöhnlichen Feldmeßpraxis Fuß, 
Rute und Meile angewandt, bei den Gradmessungen dagegen die franzö 
sische Toise (— 1,949, später = 2 m), und zwar erst die Toise de Châtelet 
(1688), woraus (1741) die berühmte Toise de Pérou hervorging. 
Unter den deutschen Gelehrten des 18. Jahrhunderts ward neben den 
bisher genannten vor allem einer für die Geodäsie und mathematische Geo 
graphie bedeutungsvoll, nämlich der Berliner Oberbaurat und Professor Jo 
hann Heinrich Bambert (geb. 1728, gest. 1777), dessen ausschlaggebende 
Bedeutung von Tag zu Tag mehr erkannt wird. Man kann ihn ohne Über 
treibung als den unmittelbaren Vorgänger, ja in vielen Beziehungen sogar als 
den Behrer des großen Mathematikers Gauß bezeichnen. Jedenfalls haben 
sowohl dieser in der exakten Mathematik, wie Kant in der analytischen Bogik' 
und in der Kosmologie (Behre vom Weltbau) vieles von ihm gelernt. -—- 
i\n der allgemeinen Umwertung aller Dinge, die nach der französischen 
Revolution einsetzte, beteiligte sich auch die praktische Geometrie oder all
	        
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