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I. Teil. Die Landesvermessung.
Was diesen beiden zum klaren Verständnis der Karte noch abgeht, muß
durch die Farbe ersetzt werden. Damit kommen wir zu den künstlerischen
Grundsätzen.
b) Die künstlerischen Grundsätze.
Jede Darstellung, die mit künstlerischen Hilfsmitteln arbeitet, hat Be
rührungspunkte mit der Kunst selbst, und sei der Gegenstand der Darstellung
noch so nüchtern. Die gebogene Di nie im Wechsel mit der geraden, die feine
im Wechsel mit der starken, die einseitige Verstärkung bei Doppellinien, die
Signatur für maßstäblich nicht Darstellbares, die Verbindung von gleich
hohen Geländepunkten durch unregelmäßige Kurven, für die kein bestimmtes
Deitgesetz, sondern nur der zufällige Böschungswechsel als Anhalt besteht,
die verschiedenen Stärken der Schraffur mit Rücksicht auf den Böschungs
winkel, die Farbe und nicht zum mindesten der Gesamteindruck einer Karte
-— alles das sind Dinge, die mit der strengen Wissenschaft nur hier und da
den Begriff „Methode“, sonst aber nichts gemeinsam haben.
Sie sind alle zusammen Anleihen bei der Kunst, Man kann, wie dies z. B.
auch von Bludau in seiner Neubearbeitung von Zöppritz’ „Beitfaden der
Kartenentwurfslehre“ II. Teil, 1908, S. 51 ff., versucht wird, wohl die Schraffur
als Projektionen der Böschungsgradienten wissenschaftlich erklären, nicht
aber ihre Stärke ein für allemal festlegen. Die Zeichen- und Kupfer- oder Stein
stichpraxis beweist das alle Tage, ganz abgesehen davon, daß Strichstärken
oder das Verhältnis zwischen Dicht und Schatten keine eigentlich wissenschaft
lichen Beobachtungsgegenstände sind, zumal ja auch die Annahme der Bage
des Dichtquelles allenfalls wohl auf beruflichen Überlieferungen, nicht aber
auf streng wissenschaftlichen Beobachtungen beruhen kann.
Aus diesen Gründen muß sich die wissenschaftliche Kartographie damit
abfinden, der Kunst bedingte Zugeständnisse zu machen, und darf dies auch,
ohne dabei Einbuße zu erleiden.
Die wichtigsten Anforderungen der Kunst an eine Karte sind:
Deutlichkeit (Klarheit und leichte Desbarkeit), Übersichtlichkeit,
richtige Gliederung im ganzen und in den Einzelheiten, Plastik
des Geländes, schöne Anordnung von Schrift und Zahlen, Har
monie der Farben und Geschlossenheit im einzelnen, wie Zu
sammengehörigkeit mit dem Ganzen.
Wenn die Karte ein getreues Abbild des Angesichtes der Erde sein soll,
muß sie „Porträtähnlichkeit“ besitzen, und das kann nur die Kunst zuwege
bringen.
Um Deutlichkeit zu erzielen, muß man zwei ganz unwissenschaftliche
Hilfsmittel heranziehen, die Verzerrung oder Übertreibung und die
Signatur. Sobald man einen an sich im Maßstab der Karte nahezu ver
schwindenden Gegenstand wegen seiner Bedeutung für irgendeinen Zweck
der Wissenschaft oder des Wirtschaftslebens hervorheben will, kann man
dies nur durch mehr oder weniger starke Übertreibung. Dadurch ist man ge
zwungen, auch andere sonst richtig wiedergegebene Teile der Karte zu verzerren
und ihre maßstäbliche Darstellung künstlich in den Hintergrund treten zu lassen.