A. Die Katasterneumessung. 389
allgemeine Grundsätze angegeben, wonach die Grenz dar Stellung in der Örtlich
keit für gewöhnlich erfolgen soll. Doch darüber, wie bei verwischten oder ver
dunkelten Eigentumsgrenzen ihre Wiederherstellung am Sachgemäßesten und
den rechtskundlichen Anforderungen am besten entsprechend vorgenommen
werden soll, bestehen wohl kaum gesetzliche Bestimmungen, ja werden auch
nicht gegeben werden können, weil der Begriff „Grenzfeststellungen“ eine
solche Fülle von Möglichkeiten in sich schließt, daß diese unmöglich in die
enge Form starrer Gesetzesparagraphen hineingezwängt werden können. Auch
rein technische Bestimmungen, wie z. B. diejenigen der preußischen Anweisung
vom 7. Mai 1868 für das Verfahren bei den Grundsteuervermessungen, der An
weisung VIII vom 25. Oktober 1881 und der Anweisung II vom 21. Februar
1896 uff., haben es — augenscheinlich nicht unbeabsichtigt — vermieden,
ganz bestimmte Richtlinien für die Grenzfeststellungen zu geben. Erst in der
letztgenannten Anweisung ist eine kurze Angabe enthalten, welche Gesichts
punkte für gewöhnlich als die wichtigsten bei den Feststellungen „rechtlicher“
Eigentumsgrenzen anzusehen seien. Mit der Betonung des Wortes „rechtlich“
ist aber in obiger Anweisung kaum etwas anderes bezweckt, als die Eandmesser
darauf hinzuweisen, daß sie bei ihren örtlichen Messungen die Grenzen nicht,
wie sie ihnen richtig scheinen, sondern wie sie sich bei Heranziehung zuver
lässiger Unterlagen und zugleich aller beteiligten Grundeigentümer als richtig
ausweisen und von diesen gemeinsam als richtig anerkannt werden, aufnehmen
und den Berechnungen zugrunde legen sollen. Dabei dürfte es an sich durchaus
gleichgültig sein, ob die von den Grundeigentümern als richtig anerkannte
Grenze mit den Angaben der Katasterkarte übereinstimmt oder nicht. Es ist
zwar die Pflicht des ausführenden Eandmessers, die Beteiligten auf eine etwaige
Abweichung zwischen den Angaben der Karte und ihren eigenen hinzuweisen,
insbesondere, wenn den vorhandenen Unterlagen urkundlicher Wert beiwohnt,
d. h. wenn zahlenmäßige Angaben mit erläuternden Verhandlungen den Grenz
gang unzweifelhaft erkennen lassen; aber solange der Eandmesser lediglich
als unparteiischer Fortschreibungsbeamter und nicht zugleich auch als Sach
verständiger eines oder mehrerer der Eigentümer auftritt, müssen ihm die
Angaben der letzteren, sofern sie übereinstimmen, über alle seine kartlichen
und ähnlichen Unterlagen gehen.
Daher erscheint es ausgeschlossen, daß ein Eandmesser der Örtlichkeit
und dem gemeinsamen Urteil der Interessenten die Angaben der Kataster
karte als die „einzig wahren“ und die sog. „rechtlichen“ aufzuzwängen ver
suchen darf. Er hat diese Unterlagen nur dann mit Energie ins Feld zu führen,
wenn zwischen den Grenznachbaren Unklarheit über die Grenzen herrscht
und die Voraussetzung nahe liegt, daß sie sich über die aus den technisch zu
verlässigen Angaben des Katasters in die Örtlichkeit übertragene Grenze einig
werden. Darüber hinaus hört unzweifelhaft die Befugnis des Vermessungs
ingenieurs auf: ihm fehlt das Recht, Entscheidung darüber zu treffen, ob die
Grenze anzuerkennen ist oder nicht; vermögen sich die Anlieger nicht zu einigen,
so bleibt ihm nur übrig, dieses verhandlungsmäßig festzustellen und nötigen
falls die Streitenden dahin zu bestimmen, daß sie für den gerade vorliegen
den Zweck die im Kataster dargestellte Grenzlinie als Berechnungsgrenze