2. Die Vermessungskunde als Wissenschaft, Technik und Gewerbe.
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messungen I.—III. Ordnung bei der Eandesaufnahme auf ihre gegenwärtige
Höhe gebracht und die konforme Doppelprojektion sowie das gegenwärtige
Berechnungswesen der Eandesaufnahme zur Vollkommenheit entwickelt. Er
war ein Schüler des großen Göttinger Gauß und ist 1866 aus der ehemaligen
hannoverschen Armee, wo er Jägerleutnant war, und einer längeren bürger
lichen Feldmesserpraxis zur preußischen Militärverwaltung übergetreten.
Professor Dr. Wilhelm Seibt, Chef des Bureaus für die Hauptnivelle
ments im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, ein Schüler Baeyers und
dessen langjähriger Mitarbeiter im geodätischen Institut, führte die zahlreichen
Feinnivellements unter diesem aus, baute die über die ganze Erde verbreiteten
Seibt-Fueß’sehen selbstregistrierenden Präzisionspegel und leitete von 1888 bis
1914 die Hauptnivellements für die preußischen Ströme und Gewässer.
Neben den hier genannten Geodäten wäre eine lange Reihe verdienst
voller Männer zu nennen, die sich um die Pflege der Geodäsie in der Gegen
wart praktisch und theoretisch mit Erfolg bemüht haben und noch bemühen.
Doch reicht der Raum nicht aus, sie alle namhaft zu machen. Es mag dieses
demjenigen Vorbehalten bleiben, der zur Vervollständigung der geodätisch
wissenschaftlichen Eiteratur in hoffentlich nicht zu ferner Zeit eine um
fassendere Geschichte des Vermessungswesens schreiben wird, als es in dieser
gedrängten Kürze möglich war.
Auf besonders beachtenswerte Einrichtungen im wirtschaftlichen Ver
messungswesen der anderen deutschen Staaten und auf mannigfache geodätische
Fortschritte seit 1912, dem Erscheinungsjahre des vorliegenden Werkes, wird
an geeigneter Stelle eingegangen werden.
2. Die Vermessungskunde als Wissenschaft, Technik und Gewerbe.
Die voraufgegangenen Ausführungen über die geschichtliche Entwick
lung des Vermessungswesens werden Klarheit darüber gebracht haben, daß das
große Arbeitsgebiet dieses Faches notwendigerweise von drei verschiedenen
Gesichtspunkten aus betrachtet werden muß, von dem der Wissenschaft, der
Technik und des Gewerbes. Begreiflicherweise hat die außerordentliche wissen
schaftliche Vertiefung, welche die praktische Geometrie gerade in den letzten
100 Jahren erfahren, und die ihr die neue Bezeichnung „Geodäsie" eingetragen
hat, bei deren Ausübern den Wunsch ausreifen lassen, alle Behren und Fertig
keiten dieses so umfassenden Faches ausnahmslos als wissenschaftlich ein
geschätzt zu sehen. Und ebenso begreiflich hat diese Vertiefung nach der alten
Erfahrung, wonach mit jedem einschneidenden Fortschritt regelmäßig eine
Überspannung verbunden zu sein pflegt, auch hier vielfach über das Ziel
hinausgeschossen. Aber in neuester Zeit ist doch gerade unter den nunmehr
ausnahmslos akademisch geschulten jüngeren Vertretern des Vermessungs
wesens, soweit sie als solche staatlich geprüft, öffentlich bestellt und längere
Zeit praktisch tätig sind, ein gesunder Rückschlag nach der Richtung hin zu
beobachten, daß eine nüchtern und nach wirtschaftlichen und praktischen
Grundsätzen einsetzende Erwägung Platz greift, die wohl unterscheidet, was
Abendroth, Vermessungsingenieur. 2. Aufl. 3