2. Die Vermessungskunde als Wissenschaft, Technik und Gewerbe.
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Unterlagen mit wissenschaftlicher Schärfe ermittelt werden, und daß sich des
halb die Hilfsmittel, womit dieses zu ermöglichen ist, dem jeweiligen Stand
der exakten Wissenschaft anpassen, sind die Arbeiten der Uandesvermessung
selbst wissenschaftlich-geodätische; aber sie sind auch zugleich technische, weil
sie den Bedürfnissen der wirtschaftlichen Vermessungstechnik nach Möglich
keit gerecht zu werden suchen und dementsprechend zweckmäßig eingerichtet
sein müssen.
Das erstere ist der Grund, weshalb in allen Großstaaten außer in Preußen
und in Frankreich topographische Uandesaufnahme und Gradmessung usw. an
einer Stelle vereinigt sind; das zweite, weshalb in kleineren Staaten Uandes
vermessung und Katasterverwaltung, soweit sie Neuvermessungen erledigt, nahe
Beziehungen zueinander haben. In Österreich und in England lagen die Kataster
neumessungen — wie wir gesehen haben — noch bis vor kurzem, ebenso wie die
wissenschaftlichen Aufnahmen, beim Generalstabe; in Preußen sind sie seit
langem davon getrennt. Eine Vereinigung von Kataster- und topographischer
Uandesaufnahme herbeizuführen, ist hier bisher nicht möglich gewesen.
b) Die Technik (wirtschaftliches Vermessungswesen).
Von den Uage- und Höhenfestpunkten, welche die Uandesvermessung ge
schaffen hat, ausgehend und so aus dem Großen ins Kleine arbeitend, be
friedigt die Technik die Bedürfnisse des staatlichen und privaten Wirtschafts
lebens an zuverlässigen Plänen und Verzeichnissen. Während Gradmessung
und Uandesvermessung als höhere Geodäsie mit der Gestalt der Erde als Geoid,
Sphäroid und Kugel — je nach allmählicher Abstufung der Genauigkeits
forderungen — rechnen, läßt die Technik ihre Arbeiten sich auf der Ebene
abspielen und schaltet jede Messung, die um ihrer selbst willen geschieht, als
unzweckmäßig aus. Alle vermessungstechnischen Unternehmungen werden
dem Zweck angepaßt, dessentwegen sie unternommen werden. Eine Arbeit,
die darauf keine Rücksicht nimmt, ist unwirtschaftlich und deshalb auch
häufig unbrauchbar. Sie wird um so wirtschaftlicher und technisch voll
kommener, je mehr sie es vermag, verschiedenen gleich wichtigen Zwecken
in gleichem Maße und zu gleicher Zeit gerecht zu werden.
Die alten Grundsteueraufnahmen waren ausschließlich auf Steuerzwecke
zugeschnitten und haben als solche ihren Zweck vollständig erfüllt; sie ver
sagten aber überall, wo es darauf ankam, entweder die Grundeigentumsver
hältnisse mit unzweifelhafter Glaubwürdigkeit technisch und rechtlich ein
wandfrei klarzustellen oder die Geländeverhältnisse eingehend kennenzulernen.
Beide Bedürfnisse schufen auf der einen Seite die genaue Kataster
neumessung mit sorgfältiger Feststellung und Vermarkung der Eigentums
grenzen, auf der anderen Seite die umfangreichen Geländeaufnahmen und
-kartierungen im großen Maßstabe, die für Eisenbahn- und Straßenbau-, Stadt -
erweiterungs- und Ent- und Bewässerungsentwürfe nötig wurden. Für beide
zugleich haben neuerdings vereinzelt die vermessungstechnischen Aufnahmen
der Verkoppelungs- und Zusammenlegungsbehörden umfangreiches wertvolles
Material geschaffen.