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Zweites Kapitel.
doch darf als gesichert angesehen werden, dafs beide sich in
Ägypten aufgehalten und die Geometrie der Ägypter nach
Griechenland verpflanzt haben. Dies war auch die Auffassung
des ganzen griechischen Altertumes.
Den ersten Spuren des Problèmes von der Quadratur des
Zirkels begegnen wir auf griechischem Boden erst im 5. Jahr
hundert y. Chr. Anaxagoras von Klazomene (500—428)
soll nach dem Berichte Plutarch’s (in der Schrift „De exil io“,
Kap. 17) im Jahre 434 im Gefängnisse den Kummer über seine
Haft mit mathematischen Spekulationen sich vertrieben und
„die Quadratur des Kreises gezeichnet“ haben. Vermutlich hat
Anaxagoras, der übrigens nach dem Zeugnisse Platons ein her
vorragender Mathematiker war, nach Art der ägyptischen Qua
dratur ein der Kreisfläche näherungsweise gleiches Quadrat ge
zeichnet und ist der Meinung gewesen, die Aufgabe genau ge
löst zu haben. Jedenfalls aber verschwand von nun an das
Problem nicht mehr von der Tagesordnung.
Im Jahre 420 erfand der Mathematiker Hippias von Elis
eine Kurve, welche zu doppeltem Zwecke dienen konnte, näm
lich sowohl zur Dreiteilung des Winkels als auch zur Quadratur
des Kreises. Es war dies die unter dem Namen xsxçayœ-
vl&vöcc, oder Quadratrix, bekannte transzendente Linie. Diese
Linie löst allerdings, wie später von Dinostratus (in der
zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts) gezeigt wurde, die Auf
gabe der Rektifikation des Kreises, aber da sie eben selber
durch Zirkel und Lineal nicht herstellbar ist, so giebt sie keine
Lösung in dem im ersten Kapitel festgesetzten Sinne*).
Über die Sophisten, die sich zu jener Zeit ebenfalls des
Problèmes bemächtigten und von denen einige in ihrer Wort
klauberei soweit gingen, dafs sie die Quadratur des Zirkels von
dem Auffinden „cyklischer Quadratzahlen“ d. h. solcher Quadrat
zahlen, welche mit derselben Endziffer abschliefsen wie ihre
Wurzel (wie z.B. 25 = 5 2 , 36 = 6 2 ), abhängig machten**), könnte
unsere Darstellung füglich hinweggehen, wenn nicht zwei der-
*) Yergl. Bretschneider, Die Geometrie und die Geometer vor Eu-
klides (Leipzig, 1870), pag. 94 — 96 und 163 —155; ferner Cantor I.,
pag. 164 — 168 und 212 — 213.
**) Yergl. Bretschneider, pag, 106.