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Zweites Kapitel.
des Verfassers zu urteilen, sicherlich interessante Versuche
darin zu erwarten sind, dein Werte der Kreisfläche so nahe als
mög’lich zu kommen“*).
Nicht unerwähnt darf ferner an dieser Stelle bleiben, dafs
namentlich Alchwarizmi es war, der seinen Landsleuten das
indische Ziffer rechnen zugänglich machte, welches dann von
den Arabern mit Beginn des dreizehnten Jahrhunderts, insbe
sondere durch die Bemühungen des grofsen Leonardo Pisano,
genannt Fibonacci, des unstreitig bedeutendsten Mathemati
kers des ganzen christlichen Mittelalters, dem Abendlande über
liefert wurde. Wie wollte man sich etwa die Ludolf sehe Be
rechnung der Zahl n ohne das indische Ziffersystem vor
stellen! **)
Und endlich ist der grofsen Fortschritte zu gedenken,
welche die Trigonometrie den Arabern verdankt. Angeregt
durch die goniometrischen Arbeiten der Inder berechnete Al-
battäni (von den Übersetzern Alhategnius genannt) in den
Jahren 878 bis 918 zum Zwecke astronomischer Messungen die
erste Kotangententafel. Er beobachtete nämlich die Länge
l des Schattens, welchen ein vertikaler Stab von der Länge r
auf eine horizontale Fläche warf. Bezeichnet cp die Höhe der
Sonne, so hat man l = r . Nun berechnete Albattäni für
7 sin Cp
r — 12 und für cp — 1°, 2°, 3°, . . . die Länge l des Schattens
(umbra recta) und erhielt auf diese Weise eine Tafel, aus wel
cher er dann umgekehrt aus der beobachteten Schattenlänge l
die Höhe cp der Sonne entnehmen konnte.
Einen weiteren folgenreichen Schritt that Abu’1 Wafä
(geh. 940). Statt der „umbra recta“, d. h. des von einem ver
tikalen Gnomon auf eine horizontale Ebene geworfenen Schat
tens, führte er die sogenannte „umbra versa“ ein, nämlich die
Länge des von einem horizontalen Stabe r auf die ihn tragende
vertikale Wand geworfenen Schattens l — r - n y . So führte
° tos cp
*) Cantor I., pag. 679.
**) Grade die hohe Vollkommenheit des indischen Zifferrechnens
macht es erklärlich, dafs die Inder bei der Bestimmung der Zahl n die
Griechen an Genauigkeit so weit übertreffen konnten.