§ 9. Von dein Ausgange der Renaissancezeit etc.
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Legte aber Snellius das 96-Eck zu Grunde, so lieferten ihm
seine Sätze die Grenzen 3,1415926272 und 3,1415928320 u. s. f.
Schliefslich verifizierte Snellius sogar die von Ludolf gefun
denen Grenzen und zwar mit unverhältnismäfsig viel geringerem
Aufwande von Rechnung.
Berücksichtigt man die Thatsache, dafs das Fundament
der Snellius’schen Cyclometrie der sorgfältigeren Begründung
erst noch bedurfte, obwohl damit der Wert dieser gedanken
reichen und ungemein anregenden Arbeit nicht unterschätzt
werden soll; so wird man es verstehen, wenn Huygens in der
Vorrede zu seiner grofsen Abhandlung*) „De circuli magni-
tudine inventa“ (Lugd. Bat. Elzevier 1654) erklärt, dafs von
allen den Sätzen, auf welche sich jede Ausmessung des Kreises
stütze, bis jetzt nur der eine feststehe, nämlich der, dafs der
Kreis gröfser sei als das ihm eingeschriebene und kleiner als
das ihm umgeschriebene Polygon. Er aber — so fährt der
damals kaum 25jährige Mathematiker mit berechtigter Zuver
sicht fort — wolle nunmehr eine sorgfältigere Bestimmung der
Gröfse des Kreises beibringen. Und in der That hat Huygens
damit nicht zuviel gesagt. Denn die genannte Abhandlung ist
nicht nur für die Kreismessung eine geradezu epochemachende,
sie gehört auch unstreitig zu den schönsten und bedeutendsten
elementargeometrischen Arbeiten, die jemals geschrieben worden
sind, und wird, wie die Abhandlung des Archimedes, ihren
Wert behalten, auch wenn die darin niedergelegten Resultate
durch die Mittel der Analysis heutzutage auf viel kürzerem
Wege gewonnen werden können. Auf den reichen Inhalt dieser
Abhandlung hier ausführlicher einzutreten, hiefse derselben
Unrecht thun: sie gehört zu denjenigen, die von jedem, der
sich für die Geschichte der Mathematik interessiert, gelesen
werden sollte. Nur einige der Sätze mögen kurz erwähnt werden:
Jeder Kreis ist gröfser als ein eingeschriebenes
gleichseitiges Polygon, vermehrt um den dritten
*) Siehe in hezug auf dieselbe auch die interessante Korrespondenz,
welche Huygens mit F. van Schooten, dem Herausgeber Vieta’s, Gregoire
de St. Vincent und anderen unterhielt und welche in dem ersten Bande
der neuen Huygens-Ausgabe abgedruckt ist (1888). Siehe namentlich die
Briefe Nr. 181—192 dieser „Correspondance“.