Full text: Das perspektivische Zeichnen

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d. h. durch unser Auge wahrgenommen werden, und sind die wahren Ab 
messungen und Formen derselben aus einer perspektivischen Zeichnung nur 
auf Umwegen oder gar nicht zu entnehmen. Dies ist indeß dabei auch gar 
nicht Absicht; die perspektivische Zeichnungskunst will nur die Gesetze fest 
stellen und anwenden von denjenigen Veränderungen, denen ein Gegenstand 
nach seiner Gestalt, Größe, Färbung und Beleuchtung und je nach seiner 
Stellung und Entfernung scheinbar unterliegt, wenn er dem Auge gegen 
über gestellt, also gesehen wird, und durch das so dargestellte Bild in dem 
Beobachter dieselbe Vorstellung und Stimmung erzeugen, welche der Ge 
genstand selbst und seine Umgebung, bei ihrer Betrachtung, vermöge der 
eigenthiimlichen Einrichtung unserer Sehwerkzeuge unter gleichen Umständen 
in der Seele des Beobachters hervorbringen würden (Fig. 2). Während 
es sich mit einem Worte bei geometrischen Darstellungen in den meisten 
Fällen um die bloße Herstellung von Arbeitszeichnungen handelt, sind 
perspektivische Zeichnungen mehr oder minder freie Kunstgestaltungen, 
die den Gesetzen der Perspektive selbstverständlich unterworfen und von ihnen 
getragen sein miissen, ohne den Schwung der Phantasie oder die Eigen- 
thümlichkeit des Künstlers zu fesseln, nur dasjenige erzeugend, was man 
bei bildlichen Darstellungen die Natur Wahrheit nennt, die ja gerade 
das charakteristische Merkmal der neueren Kunst ausmacht. 
Einen Mittelweg zwischen der geometrischen und perspektivischen Dar 
stellung bildet sodann die isometrische Zeichnung, welche einen Theil der 
Projektionslehre ausmacht. Durch die isometrische Zeichnung wird mittels 
einer entsprechenden Verschiebung des Körpers von diesen: ein dem per 
spektivischen nur ähnliches Bild gewonnen, ohne auf die Wirkung der 
Fig. 3. 
Entfernung rc. Rücksicht zu nehmen und ohne deshalb die Möglichkeit 'auf 
zugeben , die Ausmaße des Gegenstandes unmittelbar aus der Zeichnung zu 
entnehmen oder abzuleiten, wie in Fig. 3, wo die Seitenkanten des Wür 
fels sämmtlich gleiche Längen beibehalten, wie in dem geometrischen Bilde
	        
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