350 Verhältniß zwischen Willen und Verstand im Menschen. [20
auf das eigene Wohl unterlasse. Die Gegenmotive
jollen stärfer wirken als die Motive.
Wie die Prüfung und Wahl ausfällt, wird auch
hier schließlich davon abhängen, was für ein Mensch,
was für ein Charakter der Prüfende ist; es wird auf
seine WillenSbeschaffenheit und Willen5Srichtung an-
fommen, die aller Willfür und allem bewußten
Handeln vorausgeht und tiefer liegt als beide.
Daher werden wir nicht ohne weiteres den Saß
gelten lassen: „Wie der Verstand, jo der Wille ; wie
das Erkennen, so das Wollen“. Dann wäre e5 der
Wille, der vom Verstande ausgeht und abhängt.
Wenn es sich wirklich so verhielte, so würde es un-
möglich sein, blindlings zu wollen; es wäre dann
unmöglich, daß mit vielem Verstande ein schwacher
Wille und mit einem schwachen Verstande ein hef-
tiger Wille verknüpft sein kann. Wenn zu allem
Wollen Gründe gehörten, wie sie der Verstand auf-
findet und braucht, so könnte man nicht grundlos
in Zorn gerathen und sich ärgern, wie man es doch
jo häufig erlebt.
Wir müssen demnach zwei Willenzarten wohl
unterscheiden: 1. die Willkür als die uns völlig
bekannte, weil im Lichte des Bewußtseins gelegene,