Object: Das Verhältniß zwischen Willen und Verstand im Menschen (2,6)

350 Verhältniß zwischen Willen und Verstand im Menschen. [20 
auf das eigene Wohl unterlasse. Die Gegenmotive 
jollen stärfer wirken als die Motive. 
Wie die Prüfung und Wahl ausfällt, wird auch 
hier schließlich davon abhängen, was für ein Mensch, 
was für ein Charakter der Prüfende ist; es wird auf 
seine WillenSbeschaffenheit und Willen5Srichtung an- 
fommen, die aller Willfür und allem bewußten 
Handeln vorausgeht und tiefer liegt als beide. 
Daher werden wir nicht ohne weiteres den Saß 
gelten lassen: „Wie der Verstand, jo der Wille ; wie 
das Erkennen, so das Wollen“. Dann wäre e5 der 
Wille, der vom Verstande ausgeht und abhängt. 
Wenn es sich wirklich so verhielte, so würde es un- 
möglich sein, blindlings zu wollen; es wäre dann 
unmöglich, daß mit vielem Verstande ein schwacher 
Wille und mit einem schwachen Verstande ein hef- 
tiger Wille verknüpft sein kann. Wenn zu allem 
Wollen Gründe gehörten, wie sie der Verstand auf- 
findet und braucht, so könnte man nicht grundlos 
in Zorn gerathen und sich ärgern, wie man es doch 
jo häufig erlebt. 
Wir müssen demnach zwei Willenzarten wohl 
unterscheiden: 1. die Willkür als die uns völlig 
bekannte, weil im Lichte des Bewußtseins gelegene,
	        
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