Full text: Neues Lehrbuch der Perspektive

in jedem Falle nur gründliches Erlernen der per 
spektivischen Wissenschaften von Erfolg. 
Das Konstruieren einer Perspektive erfordert 
für den darin Geübten meistens weniger Zeitaufwand 
als das ausschließliche Zeichnen nach rein perspek 
tivischem Gefühle; und selbst beim Anfertigen einer 
eiligen flotten Skizze wird es stets vorteilhaft sein, 
wenigstens ihre Hauptlinien nach den perspek 
tivischen Regeln zu bestimmen. 
Vor dem Erlernen der Perspektive sollte eine 
Kenntnis der geometrischen Projektionen vorhanden 
sein; denn der so häufig bemerkte Widerwille gegen 
ein gründliches Studium der Perspektive entspringt 
gewöhnlich der Hilflosigkeit im geometrischen Zeich 
nen. Dagegen Schüler mit guten mathematischen 
Zeichenkenntnissen sind auch besonders gut für 
Perspektivstudien vorbereitet, weil ihnen das Ver 
ständnis für richtige Projektionsanwendung spielend 
leicht wird, und sie auch die perspektivischen Eigen 
arten und Schwierigkeiten sicherer begreifen und 
daher mühelos überwinden können. 
Bei richtigem Studium der Perspektive zeigen 
schon die ersten Arbeiten eine gewisse Naturähnlicli- 
keit und die Anfertigung bedarf nur geringer An 
strengung. So regt die Freude über das schnell 
und sicher geschaffene Werk das Interesse für die 
Perspektivkunst an, und mit Lust und Liebe widmet 
sich der Schüler den gestellten Aufgaben. 
Geht man von solchen Gesichtspunkten aus, so 
ist der Lehrplan wohl am zweckmäßigsten, der in 
erster Linie eine gründliche Erklärung der geome 
trischen Projektionen bietet, und dann erst zu den 
perspektivischen Projektionen und Konstruktionen 
übergeht. Zu verwerfen ist die Lehrmethode, die von 
der geometrischen Projektion und Perspektive die 
Schattenkonstruktion ganz abtrennt, um diese letztere 
erst später folgen zu lassen. Obgleich solche 
Teilungen an vielen Schulen üblich sind, wird da 
durch nur doppelte Arbeitsleistung, also Zeit 
vergeudung verursacht und ein leichteres Verständnis 
für die körperlichen Ausdehnungen nicht herbei 
geführt, weil gerade die Schatten die plastische 
Wirkung erhöhen. 
Nach Erlangung einer gewissen theoretischen 
Fertigkeit ist mit Hilfe des Naturstudiums das per 
spektivische Sehen gut vorzubereiten, um das per 
spektivische Gefühl und Verständnis nach der Wirk 
lichkeit zu schärfen, das freiere Anwenden der 
Konstruktionen auch beim Naturzeichnen einzuführen. 
Durch weiter fortgesetzte Uebungen unter Berück 
sichtigung einer Reihe von praktischen Vorteilen und 
Winken beim Perspektivzeichnen wird dem Schüler 
der richtige und kürzeste Weg gewiesen, auf dem 
seine Studienarbeiten zu günstigster und malerisch 
bester Wirkung gelangen. Sind dann die schwierigsten 
Perspektivkonstruktionen durchgenommen, so kann 
das Naturstudium nun erst vollen Nutzen bringen und 
auch sicher zu einer vorzüglichen Ausbildung führen. 
Für ein Studium ohne Lehrer ist eine höhere 
technisch-wissenschaftliche Vorbildung nicht unbe 
dingt erforderlich; immerhin sind einige Kenntnisse 
im geometrischen Zeichnen, dann besonders in der 
darstellenden Geometrie, der Projektionslehre sowie 
auch der geometrischen Schattenlehre von sehr 
großem Vorteil. Deshalb ist in diesem Werke für 
Lernende ohne Erfahrung in diesen Wissenschaften 
auch eine kurze Erläuterung der geometrischen Pro 
jektion und Schattenlehre gegeben. Diese unbedingt 
notwendige Vorbereitung beschränkt sich allerdings 
nur auf die unentbehrlichsten Erklärungen, wird 
aber doch durch allmähliches Ueberführen zur per 
spektivischen Projektion eine wesentliche Erleichte 
rung des Verständnisses schaffen. Es sei besonders 
davor gewarnt, gleich nach den einfachen Uebungen 
in der Perspektivkonstruktion die schwierigsten per 
spektivischen Bilder in Angriff zu nehmen; geduldig 
soll man vielmehr erst absolute Sicherheit in der 
Konstruktion zu erlangen suchen, indem man die 
Lösung der nach und nach schwieriger werdenden 
Aufgaben einschließlich der Schattenkonstruktion in 
richtiger Reihenfolge versucht. 
Das Berechnen von Licht und Schatten, sowie 
die sogenannte Luftperspektive (d. i. das Kleiner 
werden der Flächen und Wenigerhervortreten der 
zurückliegenden Leuchtflächen), lassen ebensowenig 
ein sprunghaftes Vorgehen zu, wie die Perspektiv 
konstruktionen selbst. 
Besonders ist auch das Studium der Reflexlicht 
wirkungen nicht zu unterschätzen und weit wich 
tiger, aber auch schwieriger als die farbentechnische 
Behandlung der perspektivischen Bilder. 
Wie bei der Erlernung einer jeden Kunst ein 
gewisser Fleiß unerläßlich ist, so muß natürlich auch 
bei der perspektivischen Kunst durch anhaltendes 
Ueben und fleißiges Studieren der Eigenarten eine 
gewisse Fertigkeit erlangt werden.
	        
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