Kapitel YIII.
Verbiegung der Linienflächen.
Aufeinander abwickelbare Linienflächeu. — Zweiter Beweis des Bonnetschen Satzes.
— Beltramischer Satz und Folgerungen daraus. — Linienelement einer Linien
fläche. — Striktionslinie und darauf bezügliche Sätze von Bonnet. — Haupttan
gentenkurven der zweiten Schar. — Formel von Chasles. — Biegung der Linien
flächen nach der Methode von Minding. — Methode von Beltrami und die darauf
bezüglichen Fundamentalgleichungen. — Problem, eine Linienfläche derart zu ver
biegen, daß eine auf ihr gegebene Kurve eine Haupttangentenkurve oder eine ebene
Kurve oder eine Krümmungslinie wird. — Linienflächen, die auf Rotationsflächen
abwickelbar sind. — Satz von Chieffi.
§ 115. Aufeinander abwickelbare Linienflächen.
Die besonderen Verbiegungen der Linienflächen, deren Möglichkeit
wir am Schlüsse des letzten Kapitels erkannt haben, bieten ein beson
deres Interesse, und ihrem Studium, das mit sehr einfachen Mitteln
möglich ist, wollen wir dieses Kapitel widmen. Vor allem aber wollen
wir mit Bonnet beweisen, daß mit der Untersuchung dieser Verbie
gungen die allgemeine Aufgabe gelöst wird, alle Linienilächen zu finden,
die auf eine gegebene Linienfläche abwickelbar sind.
Es gilt nämlich der folgende Satz von Bonnet; Wenn zwei
Linienflächeu, die nicht durch Verbiegung aus einundder-
selben Fläche zweiten Grades hervorgegangen sind, aufein
ander abwickelbar sind, so müssen sich die Erzeugenden der
einen mit denjenigen der anderen decken.
Daß die Biegungsflächen der Flächen zweiten Grades mit reellen
Erzeugenden eine Ausnahme von diesem Satze bilden, erhellt daraus,
daß eine Fläche zweiten Grades infolge ihrer Eigenschaft, eine doppelte
Schar geradliniger Erzeugenden zu besitzen, so verbogen werden kann,
daß man entweder die Erzeugenden des ersten Systems gerade läßt und
die anderen krümmt, oder umgekehrt.
Den genannten Satz beweisen wir folgendermaßen auf einfache
Weise: Es seien S, S 1 zwei aufeinander abwickelbare Linienflächen,
und wir nehmen an, daß beim Abwickeln den Erzeugenden u von S
die Erzeugenden v von S t nicht entsprechen. Nehmen wir dann auf