Kapitel XIY.
Die Minimalflächen.
Geschichtlicher Überblick. — Formeln von Weierstraß. — Algebraische Minimal
flächen. — Doppelflächen. — Verbiegung der Minimalflächen, wobei sie Minimal
flächen bleiben. — Assoziierte Minimalflächen. — Aufeinander abwickelbare kon
jugierte Flächen. — Minimalflächen mit ebenen Krümmungslinien. — Minimalflächen,
die auf Rotationsflächen abwickelbar sind. — Minimal-Schraubenflächen. — Formeln
von Schwarz. — Lösung der Aufgabe, eine Minimalfläche zu konstruieren, von der
ein Streifen gegeben ist. — Besondere Fälle. — Kennzeichen, ob eine Fläche in
eine Minimalfläche verbogen werden kann.
§ 194. Geschichtlicher Überblick bis auf Meusnier.
Die Theorie der Minimalflächen ist heute eins der vollständigsten
und ausgedehntesten Kapitel der Differentialgeometrie. Ihre vielfachen
Beziehungen zur Theorie der Funktionen einer komplexen Veränderlichen
und zur Variationsrechnung verleihen den Untersuchungen auf diesem
Gebiet ein hohes Interesse. Die dem vorliegenden Buche gesteckten
Grenzen gestatten uns nur, die Hauptergebnisse dieser Theorie zu ent
wickeln; Leser, die sich in den Gegenstand weiter zu vertiefen wünschen,
finden eine erschöpfende Behandlung in den schönen Vorlesungen von
Darboux. Daselbst sowie in der Abhandlung von Beltrami 1 ) finden
sie auch geschichtliche Angaben bezüglich der allmählichen Entwicklung
dieser Theorie. Für unseren Zweck schließen wir uns speziell an die
kurze Darstellung an, die Schwarz in seinen „Miszellen aus dem
Gebiete der Minimalflächen“ gegeben hat.
Die Anfänge der Theorie der Minimalflächen reichen bis auf die
berühmte Abhandlung von Lagrange zurück, in der die Grundlagen
der Variationsrechnung 2 ) entwickelt worden sind. Wir betrachten
1) Sulle proprietà generali delle superficie ad area minima. Memorie dell’
Accademia di Bologna, 7. Bd., 1868.
2) Miscellanea Taurinensia, 2. Bd., 1760—61.