Assecuranzwesen.
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(a posteriori). Soll aber das aus Beobachtung ermittelte Wahr
scheinlichkeitsverhältniß der Festsetzung der Prämien mit Sicherheit
zu Grunde gelegt werden können, so muß dasselbe aus einer sehr
großen Anzahl von Beobachtungen hervorgegangen sein; denn in
diesem Falle entspricht dasselbe dem Gesetz der sogenannten großen
Zahlen. So bestimmt man, wie im §. 204 bereits beispielsweise an
geführt worden, die Wahrscheinlichkeit des Verlusts eines Seeschiffes
durch die Vergleichung der beobachteten Schiffbrüchc mit der Anzahl
der Seereisen. Wenn aber die Anzahl der beobachteten Seereisen
sehr groß ist, so ist das Verhältniß der Anzahl der Schiffbrüche
zu der der Seereisen fast unveränderlich, wenigstens für jedes Meer,
für jede Nation, für jede Jahreszeit insbesondere, und das gefun
dene Verhältniß kann folglich für die Größe der Wahrscheinlichkeit
künftiger Schiffbrüchc angenommen werden. Es versteht sich indessen
von selbst, daß sich der Versicherer mit der Versicherung einer ge
ringen Anzahl von Schiffen nicht befassen darf, denn eine kleine
Anzahl von Verträgen dieser Art wären lediglich Wetten, die ihm
großen Verlust verursachen könnten; bei einer hinlänglich großen
Anzahl von Versicherungen hingegen wird sich das auf Erfahrung
beruhende Verhältniß der verunglückten und versicherten Schiffe wie
der Herausstellen; der Schadenersatz ist durch die Summe der na
türlichen Prämien gedeckt, und die Differenz der natürlichen und
wirklichen Prämien (§. 205) bleibt als Gewinn übrig. In Ueber
einstimmung hiermit haben die Versicherer überhaupt den Grundsatz
angenommen, für nicht zu große Summen auf viele Gegen
stände gleichzeitig Versicherungen zu schließen. Wenn da
her Aktienversicherungsanstalten in besondern Fällen Gegenstände von
großem Werthe zur Versicherung zulassen, so lassen sie sich Vor-
sichts halber selbst wieder theilweise dafür versichern, und hierin be
steht die sogenannte Reassecuranz oder Ueberversicherung.
Das Gesetz der großen Zahlen findet überhaupt in den Er
scheinungen statt, die wir, weil wir ihre Ursachen nicht kennen, dem
bloßen Zufalle zuschreiben. Als weiteres Beispiel des Gesetzes der
großen Zahlen kann die mittlere Dauer des menschlichen Lebens
(§. 129) angeführt werden; denn ungeachtet der großen Verschieden
heit des Alters, in welchem die einzelnen Menschen sterben, ist
doch die mittlere Lebensdauer für eine hinreichend große Anzahl
von Menschen in den einzelnen Ländern beinahe constant.
Selbst auf Erscheinungen der moralischen Welt, also auf Er
scheinungen, welche von dem Willen des Menschen, seinen Inter
essen, seinen Einsichten und seinen Leidenschaften abhängen, ist das