Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

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Sechster Abschnitt. 
Die Dauer des Phänomens muss also aus beiden Gründen 
für den Punkt a eine kürzere sein als für den Punkt h, und 
bei dem langsamen Portrücken der Yenus auf der Sonnen 
scheibe (das ganze Phänomen währt gegen 7 Stunden) muss 
selbst eine sehr kleine Verschiedenheit der Richtungslinien 
(denn dass nur auf eine solche zu rechnen sei, wusste man) 
doch eine merkliche Differenz in der Zeit bewirken. In der 
That war der Unterschied der Dauer bei den beiden am gün 
stigsten gelegenen Beobachtungsörtern während des letzten 
Durchganges 22 1 j 2 Minute Zeit. — Aus diesen Unterschieden 
kann man nun rückwärts auf den Unterschied der Richtungs 
linien, also auf die Parallaxe in Beziehung auf die Oerter a 
und h schliessen, und da deren Lage auf der Erde selbst be 
kannt ist, auch auf die eigentlich sogenannte, sich auf den 
Halbmesser beziehende Parallaxe. 
Die Methede giebt, genau gesprochen, weder die Sonnen- 
noch die Yenusparallaxe selbst, sondern den Unterschied beider, 
allein da die relativen Entfernungen bekannt sind, so wird man 
auch die Sonnenparallaxe finden können, sobald jener Unter 
schied gefunden ist. 
Da Alles darauf ankam, möglichst weit entlegene Punkte 
der Erde zu Beobachtungsstationen zu wählen, so begnügte 
man sich nicht mit den vorhandenen Sternwarten, die da 
mals fast nur in Mitteleuropa zu finden waren. Vielmehr 
scheuten Könige keine Kosten und die Astronomen keine Be 
schwerden, um keinen wichtigen Punkt unbenutzt zu lassen, 
denn eine Yersäumniss hierin wäre für Jahrhunderte unersetz 
lich gewesen. Im tiefen Sibirien, an der Hudsonsbai, in Cali- 
fornien, auf Otaheiti, am europäischen Kordcap und vielen 
andern Orten ward beobachtet. 1761 gelangen an vielen Orten 
die Beobachtungen gar nicht und andern nur dürftig; 1769 
hingegen war man glücklicher. Encke hat die damaligen Beob 
achtungen einer neuen und völlig scharfen Rechnung unter 
worfen und findet die Parallaxe der Sonne 8 /y ,5774 mit einer 
Unsicherheit von 0",037; eine spätere Verbesserung eines 
der Data (durch Wiederauffindung des Originaltagebuches HeWs, 
der auf Wardoehuss beobachtete) setzte sie auf 8",57116, und 
mit dieser letztem Zahl sind die numerischen Angaben in die 
sem Werke berechnet. 
Die nächsten Durchgänge 1874 und 1882 geben wenig 
Hoffnung, die Parallaxe schärfer zu erhalten: man müsste Orte 
in der Nähe des Südpols und auf sehr verschiedenen Meridia 
nen wählen, was grosse Schwierigkeiten haben dürfte. (Es 
sind aber die Expeditionen des Venus-Durchgangs vom Jahre 
1874, an denen sich alle grösseren Staaten betheiligten, in 
ganz auffallender Weise vom Wetter begünstigt worden.)
	        
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