Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

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Sechster Abschnitt. 
§■ 94. 
Das feste Land der Erde beträgt etwa 0,28, das Was 
ser 0,72 der Gesammtoberfläche, die Quantität der letztem 
ist sehr schwierig zu bestimmen, da wir über die Tiefe der 
Meere noch wenig wissen. Der feste, starr gewordene Erd 
körper behält die Form, welche er einmal angenommen hat; 
der Wasserkörper hingegen kann, wenn eine äussere Veran 
lassung dazu gegeben ist, seine Form verändern. Eine solche 
Veranlassung liegt in der ungleichen Anziehung, welche die 
beiden Halbkugeln der Erde von Sonne und Mond erfahren. 
Die den genannten Körpern zugewendeten Seiten sind 
ihnen nämlich näher als die abgewendeten und erfahren eine 
stärkere Anziehung als diese. Während der feste Erdkörper 
also der mittleren Anziehung folgen und hiernach seine 
Bewegung beschreiben muss, wird der Wasserkörper, dieser 
verschiedenen Anziehung gemäss, auch seine Form ändern 
können. Es erzeugt sich senkrecht unter dem anziehenden 
Körper eine Erhebung des Wassers (Fluthwelle), nicht 
durch Emporsteigen (wie man es sich häufig irrig vorgestellt 
und daraus vermeintliche Einwürfe gegen diese Erklärung 
hergenommen hatte), sondern durch Herbeiströmen von allen 
Seiten. Aber eine ähnliche Fluthwelle muss sich auf der 
entgegengesetzten Seite bilden, denn da dort die Anziehung 
geringer ist, so muss das Wasser sich ebenfalls weiter vom 
Mittelpunkte entfernen. Beide nahe gleichgrossen Fluthwellen 
rücken nun vom Orte ihres ersten Entstehens (dem grossen 
Ocean) aus von Osten nach Westen fort, werden aber durch 
die vorspringenden Landmassen abgelenkt und genöthigt, um 
diese herum zu fliessen*), So entstehen Partialwellen, die 
in die einzelnen Meerbusen, Meerarme und Strommündungen 
eindringen und hier eine Erhebung des Wassers bewirken, 
die nach Umständen sehr beträchtlich sein kann. Man nennt 
dieses Herandringen Fluth und das Wiederabfliessen des 
Wassers Ebbe (ein gemeinschaftlicher Karne für aestus, 
maree, tide fehlt uns). 
Kur zwei Himmelskörper, Sonne und Mond (ersterer 
seiner Grösse, letzterer seiner Kähe wegen) üben eine be- 
*) Nicht als ob der Wasserkörper, oder nur ein Theil desselben, 
innerhalb 24 Stunden eine Reise um die Erde mache. Es ist im Gregen- 
theil eine sich fortpflanzende Bewegung vieler Theilchen, ähnlich 
wie bei den gewöhnlichen Wellen, den Schallwellen der Luft und den 
Lichtstrahlen (Lichtwellen) des Aethers.
	        
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